Kaufrecht: keine Nacherfüllung bei Unzumutbarkeit

Der Käufer einer mangelhaften Sache kann nach dem Gesetz Nacherfüllung verlangen. Hiermit ist entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer neuen mangelfreien Sache gemeint (§ 439 BGB). Wenig bekannt ist, dass in Fällen der Unzumutbarkeit dieses Nacherfüllungsrecht ausgeschlossen ist. Entsprechendes gilt im Werkvertragsrecht nach § 635 BGB, sowie allgemein im Vertragsrecht auf Basis des § 275 BGB.

Unmöglichkeit der Nacherfüllung

Unzumutbarkeit liegt insbesondere bei objektiver Unmöglichkeit vor. Der Käufer behält dann allerdings sein Rücktrittsrecht und kann immerhin den Kaufpreis zurückfordern.

Zu prüfen ist im Einzelfall, ob nicht ein so genannter Gattungskauf vorliegt. Hierbei hat der Käufer nicht ein Einzelstück erworben, sondern Massenware mit der Folge, dass der Verkäufer ergänzend nachweisen muss, dass die mangelhafte Ware auch mit erheblichen Mühen auf dem allgemeinen Markt, insbesondere beim Hersteller, nicht mehr bestellbar ist. Der Hinweis auf das eigene leere Lager genügt keinesfalls.

Unverhältnismäßigkeit

Unzumutbarkeit liegt auch bei Unverhältnismäßigkeit der Kosten vor. Ausgangspunkt für eine Gegenüberstellung ist der Wert der Sache im mangelfreien Zustand im Verhältnis zu den Kosten der Nacherfüllung. Der Kaufpreis ist kein Bezugsmaßstab, OLG Braunschweig NJW 2003, Seite 1053. Bei doppelt so hohen Nacherfüllungkosten gegenüber dem objektiven Wert der Sache im mangelfreien Zustand kann Unzumutbarkeit vorliegen, die Rechtsprechung nimmt teilweise bereits bei einem Überschreiten des Wertes der Sache von 20 % eine Unzumutbarkeit an, so das Landgericht Ellwangen NJW 2003, Seite 517.

Eine besondere Fallgruppe bildet das Wahlrecht des Käufers zwischen Reparatur und Nachlieferung einer mangelfreien Sache. Bereits dann, wenn die Reparatur am Wohnsitz des Käufers zu nachweislich höheren Kosten beim Verkäufer führen sollte als die Nachlieferung einer mangelfreien Sache, kann der Käufer auf seinem gesetzlichen Recht der freien Wahl nicht mehr bestehen, sondern muss die Nachlieferung dulden. Bei geringwertigen Gütern stehen oftmals die Kosten der für eine Reparatur erforderlichen An-und Abfahrt in keinem Verhältnis zu denjenigen einer Nachlieferung. Anderes kann dann gelten, wenn er auf den Gegenstand bereits eigene so genannte Verwendungen getätigt hat, er also mit eigenem Arbeitsaufwand umgestaltet wurde.

Der Fall des § 275 Abs. 2 BGB

greifen die oben genannten Fälle nicht ein, kann sich der Verkäufer im Einzelfall immer noch auf die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB berufen. Hiernach kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Hindernis zu vertreten hat.

Leider ist zu dieser allgemeinen Fallgruppe nur wenig Rechtsprechung veröffentlicht. In der Auseinandersetzung lohnte sich aber regelmäßig, hierauf hinzuweisen.

Beim Werkvertrag gilt § 635 Abs. 3 BGB

Auch im Werkvertragsrecht gelten die Gewährleistungsansprüche des Bestellers nur unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit und von Treu und Glauben. Die Parallelvorschrift zu dem kaufvertraglichen § 439 Abs. 3 BGB stellt § 635 Abs. 3 BGB dar. Hiernach kann der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, so die Rechtsprechung Bundesgerichtshof seit BGHZ 59, Seite 365. Allerdings sind die berechtigten Interessen des Kunden und Verbrauchers großzügig in die Interessenabwägung einzustellen. So ist das Interesse des Bestellers anzuerkennen, wenn der Besteller auf Mangelbeseitigung aufgrund einer erheblichen Beeinträchtigung der Optik besteht, BGH NJW-Rechtsprechungsreport 2002, Seite 661. In die erforderliche Interessenabwägung hat auch einzuschließen, inwieweit den Unternehmer ein Verschulden trifft. Die Entscheidung zwischen leichtem und schwerem Verschulden spielt in diesem Zusammenhang oftmals eine maßgebliche Rolle.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Unverhältnismäßigkeit wurde in der Rechtsprechung angenommen für geringfügige Maßabweichungen an Bauteilen, die ohne technischen Nachteil bleiben, unerhebliche Farbabweichungen (für eine Einbauküche OLG Frankfurt am Main NJW-Rechtsprechungsreport 1994, Seite 1140) geringfügige Schönheitsfehler, die zwar ästhetische Relevanz haben, nicht aber auf den objektiven Wert durchschlagen, OLG Düsseldorf Baurecht 1998, Seite 126, OLG Düsseldorf NJW Rechtsprechungsreport 1994, Seite 342. In einem zweifelhaften Ausnahmefall hat das OLG Karlsruhe den Anspruch auf Mangelbeseitigung sogar abgelehnt für optische Mängel eines Parkettfußbodens, obwohl der damit verbundene Wertverlust immerhin mit 30 % angenommen wurde, OLG Karlsruhe Baurecht 1997, Seite 356. Grenzfälle sind die Geräuschentwicklung im Dach einer Lagerhalle, eine zu kleine Wohnfläche, eine zu niedrige Decken-Höhe, nicht berücksichtigte Sonderwünsche, die Unterschreitung der Werte einer Trittschalldämmung, bei Abweichungen einzelner Raumabmessungen nach dem Erwerb einer Eigentumswohnung, vergleiche Bundesgerichtshof Baurecht 1995, Seite 540, OLG Hamm Baurecht 1993, Seite 729, OLG Nürnberg NJW 1993, Seite 1300, OLG Celle Baurecht 198, Seite 401. In den Grenzfällen ist entscheidend auf die konkrete Nutzung des Bauwerks bzw. der Werkleistung abzustellen und darauf, ob diese auch Vertragsgrundlage geworden ist.

Trifft den Bauträger oder Werkunternehmer nicht nur einfacher, sondern grobe Fahrlässigkeit bei der Verursachung des Mangels, ist dies zu seinen Lasten zu werten. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit wird dann in der Regel allein aus diesem Grund nicht mehr durchgreifen.

Verweis auf Rücktritt und Minderung

Der Ausschluss des Nacherfüllunganspruchs erstreckt sich nicht auf die Ansprüche auf Rücktritt und Minderung. Beim Rücktritt ist allerdings zu beachten, dass nach § 323 Abs. 5 BGB hinsichtlich des Mangels die Bagatellschwelle überschritten sein muss, d.h. der Mangel nicht nur unerheblich sein darf.

Der Minderungsanspruch verbleibt dem Besteller aber stets. Die Minderung berechnet sich im Verhältnis des objektiven Wertes des mangelhaften Werkes im Vergleich zu dem vertraglich vereinbarten mangelfreien Zustand.

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