Ein immer noch beliebter Streitpunkt in der Betriebskostenabrechnung im Wohnungsmietrecht wie im Gewerbemietrecht ist der Verteilerschlüssel. Nach wie vor sind nicht alle Fragen den richtigen Verteilerschlüssel betreffend gerichtlich geklärt. Das Kammergericht hatte sich im Jahr 2016 mit der oft übersehenen, aber sehr praxisrelevanten Leerstandsproblematik zu befassen.

Formelle Wirksamkeit zuerst prüfen

Die Nebenkostenabrechnung löst nur dann einen Zahlungsanspruch des Vermieters aus, wenn sie sowohl förmliche als auch inhaltliche Mindestanforderungen erfüllt. Die formellen Anforderungen sind recht niedrig. Erforderlich ist lediglich eine nach unterschiedlichen Kostenarten getrennte Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrundegelegten Verteilerschlüssel, sowie Berechnung des Anteils des Mieters, Bundesgerichtshof Urteil vom 20. Januar 2016, Aktenzeichen VIII 9315. Der Verteilerschlüssel muss nur erläutert werden, soweit dies erforderlich ist, BGH a.a.O.

Folgen eines falschen Verteilerschlüssels

Wird ein falscher Verteilerschlüssel geltend gemacht, so führt selbst ein Durchgreifen dieses Einwands nicht zur Unwirksamkeit der Abrechnung. Stattdessen schuldet der Mieter dann nur den jeweiligen Betrag bei Zugrundelegung des richtigen Verteilerschlüssels. Die Erstellung einer neuen Abrechnung ist hingegen nicht geschuldet. Die Fälligkeit des tatsächlich geschuldeten Betrages hängt also nicht von der Erstellung einer neuen Abrechnung ab.

Schweigen führt meist nicht zu Anerkenntnis der Abrechnung

Die in vielen Mietverträgen anzutreffende Formulierung, wonach eine Anerkennung der Abrechnungen mangels Widerspruchs innerhalb von acht Wochen fingiert wird, also ein Schweigen auf die Abrechnung hin als Anerkenntnis nach Ablauf von acht Wochen gewertet wird, ist gemäß § 307 BGB in Verbindung mit § 308 Nummer 5 BGB auch in einem formularmäßigen Gewerberaummietvertrag unwirksam, wenn nicht zugleich ausdrücklich geregelt ist, dass der Vermieter verpflichtet ist, den Mieter im Zusammenhang mit der Erteilung der Abrechnung auf die Bedeutung seines Schweigens gesondert hinzuweisen, Bundesgerichtshof Neue Juristische Wochenschrift 2014, Seite 3722.

Regelungspunkt Leerstandsrisiko

Zu den wesentlichen Grundgedanken des Betriebskostenrechts gehört der Grundsatz, dass der Vermieter bei der Umlegung von Betriebskosten das Leerstandsrisiko tragen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes folgt dies aus dem allgemeinen Vermietungsrisiko, das natürlicherweise beim Vermieter liegt, Bundesgerichtshof Urteil vom 6. Oktober 2010 Aktenzeichen VIII ZR 18309.

Das Urteil des Kammergerichts im Gewerberaummietrecht

Eine Klausel, die dieses Risiko den Mieter zuschiebt, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren und benachteiligt den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Zweifel unangemessen nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 1 BGB, so ausdrücklich der Bundesgerichtshof in dem erwähnten Urteil für die Wohnraummiete. Das Kammergericht erstreckt diesen Grundsatz nunmehr auch auf die Gewerbemiete, Kammergericht, Urteil vom 6. Juni 2016, Aktenzeichen 8U4015.

Argument Risikoverteilung

Denn die Risikoverteilung ist bei der gewerblichen Miete dieselbe. Der gewerblichen Mieter ist gegenüber versuchen, ihn mit Nebenkosten zu belasten, die nach dem Gesetz der Vermieter zu tragen hätte, nicht weniger schutzwürdig.
Eine Klausel, die eine Kostenumlage im Verhältnis zu vermieteten Fläche vorsieht, ist nach § 307 BGB unwirksam. In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist dies weitgehend anerkannt und auch bereits von dem Oberlandesgericht Hamburg in dem Urteil vom 22. August 1990 Aktenzeichen 4U5189 erkannt worden.
Allerdings hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 21. Mai 2015 Aktenzeichen 1 0 29/15 die gegenteilige Auffassung vertreten. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf müssen derartige Klauseln nur hinreichend klar formuliert sein (sog. Transparenzgebot). Weitere Voraussetzungen stellt das OLG Düsseldorf weder für eine individuell ausgehandelte Regelung noch für einen Formularmietvertrag auf.

Rechtsfolgen der Unwirksamkeit

Soweit in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Formularmietvertrages eine Regelung unwirksam ist, richtet sich gemäß § 306 Abs. 2 BGB der Inhalt der hierdurch entstehenden Lücke nach den gesetzlichen Vorschriften. Sieht das Gesetzesrecht keine Regelung vor, die unwirksame AGB ersetzen könnte, fällt die Klauseln ersatzlos weg. Auch hiervon wird allerdings in manchen Fällen eine Ausnahme gemacht. Wenn die ersatzlose Streichung der Klausel keine interessengerechte Lösung darstellen würde, gehören nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den ersatzweise heranzuziehenden gesetzlichen Vorschriften im Sinne von § 306 Abs. 2 BGB auch die allgemeinen Grundsätze über die ergänzende Vertragsauslegung, vergleiche Bundesgerichtshof Urteil vom 3. Dezember 2014 Aktenzeichen VIII ZR 37013. Für den Fall einer unwirksamen Klausel über den Verteilerschlüssel liegt ein derartiger Ausnahmefall vor. Wenn nämlich der Mieter im Ergebnis der unwirksamen Klausel von der Tragung der Nebenkosten ganz befreit wäre, wäre dies nach der Rechtsprechung unbillig, weil der Mieter einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn und eine nachhaltige Verschiebung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung im Dauerschuldverhältnis zum Nachteil des Vermieters erlangen, Bundesgerichtshof, a.a.O.

Gegenbeispiel Schönheitsreparaturenklausel

Das Kammergericht grenzt sich hierbei von der Rechtsfolge einer unwirksamen Klausel über die Tragung von Schönheitsreparaturen ab. Ist eine solche Klausel unwirksam, wird nämlich keine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen. Das Kammergericht schließt die Lücke in dem Urteil vom 6. Juni 2016 dahin, dass die Nebenkosten grundsätzlich im Verhältnis der Mietfläche zu der gesamten Nutzfläche des Objekts umzulegen sind. Ein solcher Flächenmaßstab sei angemessen und üblich. Einer neuen Abrechnung bedarf es nicht. Der Mieter schuldet die Betriebskosten aufgrund des angepassten Flächenschlüssels. Das Kammergericht rechnete daher im Urteil die vom Mieter letztlich zu tragenden Betriebskosten im Einzelnen aus - wenn man so will, ein Service zugunsten des Vermieters.

 

 

Der schnelle Tipp

Eine Umlage nach der vermieteten Fläche ist nach überzeugender Auffassung des Kammergerichts unzulässig.

Der zweite schnelle Tipp

Innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist können überzahlte Betriebskosten in der Regel zurückgefordert werden.