Die Ermittlung der Ausgleichsabgabe nach Aufhebung eines Sanierungsgebietes

Die Festsetzung von Sanierungsgebieten gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten städtebaulichen Entwicklungsinstrumenten. Nach förmlicher Aufhebung eines Sanierungsgebietes und Entlassung der betroffenen Grundstücke aus der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Bindung ist die Behörde berechtigt, gemäß § 154 Baugesetzbuch eine Sanierungsausgleichsabgabe bzw. einen Sanierungsausgleichsbeitrag zu erheben. Bis heute umstritten ist die Art und Weise der Berechnung, denn seine Grundlagen sind kompliziert. Der Sache nach geht es – vereinfacht – um die Abgeltung der Grundstückswerterhöhung infolge der sanierungsbedingten Umfeldverbesserungen des Grundstücks.

Der gesetzliche Rahmen

Auszugehen ist vom Gesetzestext. Nach § 154 Baugesetzbuch hat der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebietes gelegenen Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbeitrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwertes seines Grundstücks entspricht. Die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwertes des Grundstücks besteht aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes ergibt (Endwert). Der Ausgleichsbetrag ist nach Abschluss der Sanierung zu entrichten (Abs. 3 des § 154 Baugesetzbuch).

Der Gesetzgeber hat zur Bemessung der Ausgleichsbeträge den Rückgriff auf die Vorschriften der Wertermittlungsverordnung zugelassen. Nach § 28 m Wertermittlungsverordnung sind die Anfangswerte und Endwerte des Grundstücks auf den selben Zeitpunkt zu ermitteln. Nach § 28 Abs. 3 Wertermittlungsverordnung ist bei der Ermittlung des Anfangswertes und Endwert der Wert des Bodens ohne Bebauung durch Vergleich mit dem Wert vergleichbarer unbebauter Grundstücke zu ermitteln. Beeinträchtigungen der zulässigen Nutzbarkeit, die sich aus einer bestehen bleibenden Bebauung auf dem Grundstück ergeben, sind zu berücksichtigen, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise oder aus sonstigen Gründen geboten erscheint, das Grundstück in der bisherigen Weise zu nutzen.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ausgleichsbetragsbescheides kommt es auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Das folgt allerdings nicht aus Prozessrechtgrundsätzen, sondern aus dem materiellen Recht. Deshalb ist stets gesondert zu prüfen, ob das zwischen Verwaltungsentscheidung und gerichtlicher Entscheidung etwa in Kraft getretene neue Recht oder auch neue Rechtsprechung die Rahmenbedingungen seit Erlass verändert haben. Deren Berücksichtigung auch bei der Beurteilung bereits früher erlassener Verwaltungsakte, also auch Sanierungsausgleichsbetragsbescheide, fordert das Bundesverwaltungsgericht, vergleiche Urteil vom 14. Februar 1975 Aktenzeichen 4C 21/74.

Oft zieht die Bescheidsbegründung Gutachten heran. Bei dem Gutachten eines Gutachterausschusses handelt es sich regelmäßig um eine mit besonderer Sachkunde, Fachwissen und Erfahrung begründete Stellungnahme. Verfahrensmäßig bestehen daher nach Auffassung der Gerichte regelmäßig keine Bedenken, wenn die Gemeinde die nachvollziehbare und an den gesetzlichen Bestimmungen orientierte Berechnung der Anfangs-und Endwerte durch den Gutachterausschuss oder auch eines anderen Sachverständigen für die eigene Entscheidung übernimmt und zur Grundlage ihrer Heranziehungsbescheide macht, vergleiche Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Januar 1982 Aktenzeichen 7B 254/81.

Beurteilungs- und Ermessensspielräume

Bei der Bewertung der für den Anfangs-und Endwert maßgeblichen Faktoren steht der Gemeinde Einschätzungsspielraum hinsichtlich des Umfangs, der durch diese Faktoren bewirkten Erhöhung oder Minderung des Bodenwertes zur Verfügung. Denn Anfangs-und Endwert lassen sich nicht einfach ausrechnen oder in ihrer Höhe einer Tabelle entnehmen, sondern gehen aus einem Ermittlungsverfahren hervor, dass zumindest praktisch vielfältig Gelegenheit bietet, so oder anders vorzugehen, ohne dass es immer ein eindeutiges Richtig oder Falsch gäbe.

Grenzen des Beurteilungsspielraums der Gemeinde

Die Gemeinde hat allerdings keinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob sich die Sanierung in Bezug auf die maßgeblichen Elemente des Bodenwertes überhaupt erhöhend oder senkend auswirkt, so ausdrücklich das Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 9. April 1990, Aktenzeichen 22 A 1185/89. Die diesbezüglichen Fragen beantworten sich in aller Regel aus den durch die Rechtsordnung vorgegebenen Wertungen und sind einer Schätzung nicht zugänglich.

Die beiden zulässigen Ermittlungswege

Grundsätzlich lassen sich zwei methodisch unterschiedliche Wege zur Bemessung des Betrages unterscheiden. Entweder erfolgt die Ermittlung des Betrages aus dem Unterschied zwischen dem unabhängig voneinander ermittelten End- und Anfangswert entsprechend der Verfahrensvorgabe des § 154 Abs. 2 Baugesetzbuch. Oder aber der Ausgleichsbetrag wird auf direktem Weg aus der sanierungs- bzw. entwicklungsbedingten Bodenwerterhöhung abgeleitet. Bei enger Auslegung des § 154 Abs. 2 Baugesetzbuch ist der zuletzt genannte Verfahrensweg nicht zulässig. Er entspricht aber Sinn und Zweck des Gesetzes am besten und dürfte in der Regel zu genaueren Ergebnissen führen und wird deswegen in der Fachliteratur für ebenfalls zulässig erachtet, vergleiche Kleiber, Wertermittlung von Grundstücken, Teil fünf, Paragraph 28 Wertermittlungsverordnung, Rn. 33.

Die Bedeutung der Bebauung des Grundstücks

Aufgrund der Bezugnahme des § 28 Wertermittlungsverordnung sind für die Anfangs- und Endwerte lediglich die Bodenwerte des Grundstücks maßgeblich. Damit bleibt die Bebauung außer Betracht. Soweit sich dabei Beeinträchtigungen der zulässigen Nutzbarkeit aus einer bestehenden Bebauung ergeben und es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise allein geboten erscheint, das Grundstück nur in der bisherigen Weise zu nutzen, sind solche Besonderheiten bereits beim Grudnstückswertansatz zu berücksichtigen.

Der Anfangswert

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Anfangswertes ist der Beginn des Sanierungs- bzw. Entwicklungseinfluss. Qualitative Verbesserungen, die zu Bodenwerterhöhungen geführt haben, sind bei der Qualifizierung des Anfangswertzustandes nur zu berücksichtigen, wenn sie nicht in kausalem Zusammenhang mit der Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahme gestanden haben. Allerdings werden solche so genannten externen Effekte (Begriff nach Kleiber) nur vergleichsweise selten in der Berechnung berücksichtigt, weil grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass alle im Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich durchgeführten Maßnahmen erst durch den neuen städtebaulichen Rahmen ermöglicht oder zumindest in mitursächlichem Zusammenhang damit ermöglicht worden sind.

Endwert

Der Endwert definiert sich als der Bodenwert unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Neuordnung des Sanierungsgebiets bezogen auf die allgemeinen Wertverhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses der Sanierungs- bzw. Entwicklungsmaßnahme. Nur vom Eigentümer selbst herbeigeführte Bodenwerterhöhungen gehen in die Wertermittlung nicht ein, sondern werden auf den Ausgleichsbetrag sogar angerechnet. Dies folgt aus der Vorschrift des § 155 Abs. 1 Baugesetzbuch.

Die Bodenwertermittlung

Sowohl der Anfangswert als auch der Endwert verweisen auf die jeweiligen Bodenwerte. Zu deren Ermittlung existieren unter anderem das Bodenrichtwertverfahren, dass Delphi-Verfahren (nach Kleiber) , das Ertragsdifferenzialverfahren, das additive Verfahren, das so genannte Niedersachsen-Verfahren und das Hagedorn-Verfahren. Einzelheiten hierzu können an dieser Stelle nicht ausgeführt werden.

Bebauungsabschlag nur im Einzelfall

In der Regel rechtfertigt die Bebauung eines Grundstücks keinen so genannten Bebauungsabschlag. Denn eine Minderung des Ausgleichsbetrags im Hinblick auf die Bebauung des Grundstücks müsste mit § 28 Abs. 3 WertV in Einklang stehen.

Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 WertV ist bei der Ermittlung des Anfangs- und Endwerts der Wert des Bodens ohne Bebauung durch Vergleich mit dem Wert vergleichbarer unbebauter Grundstücke zu ermitteln. Die Vorschrift knüpft an § 154 Abs. 1 BauGB an, wonach der Ausgleichsbetrag der sanierungsbedingten Erhöhung des Bodenwerts entspricht, und konkretisiert dies – über die Regelung des § 154 Abs. 1 BauGB hinausgehend – dahin, dass es auf den Wert des Bodens ohne Bebauung, abgeleitet aus einem Vergleich mit unbebauten Grundstücken, ankommt. Die Bestimmung des § 28 Abs. 3 Satz 1 WertV entspricht damit der gesetzlichen Regelung für Bodenrichtwerte, die gemäß § 196 Abs. 1 Satz 2 BauGB in bebauten Gebieten ebenfalls mit dem Wert zu ermitteln sind, der sich ergeben würde, wenn der Boden unbebaut wäre.

Eine Minderung des Ausgleichsbetrags durch Reduktion des Endwerts gegenüber dem Wert des Bodens in unbebautem Zustand ist allein unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 Satz 2 WertV zulässig. Danach sind Beeinträchtigungen der zulässigen Nutzbarkeit, die sich aus einer bestehen bleibenden Bebauung auf dem Grundstück ergeben, zu berücksichtigen, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise oder aus sonstigen Gründen geboten erscheint, das Grundstück in der bisherigen Weise zu nutzen. Die Vorschrift setzt unter Berücksichtigung der Verordnungsbegründung eine Beeinträchtigung sanierungsbedingt erhöhter Nutzungsmöglichkeiten voraus. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Abschöpfung einer sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung auszuschließen, wenn die vorhandene Bebauung der Verwirklichung einer rechtlich zulässigen höheren Nutzung für einen möglicherweise längeren Zeitraum entgegensteht. So verhält es sich, wenn ein im Zuge der rechtlichen Neuordnung des Sanierungsgebiets erlassener Bebauungsplan Maß und/oder Art der baulichen Nutzung erheblich erweitert, der Eigentümer die erweiterten Nutzungsmöglichkeiten jedoch wegen der bestehen bleibenden Bebauung nicht ausnutzen kann, oder wenn andere Sanierungsvorteile aufgrund der spezifischen Art, Ausgestaltung oder Ausstattung einer vorhandenen baulichen Anlage nicht realisiert werden können (vgl. Kleiber, aaO., § 28 WertV Rn. 91 ff., u. a. unter Bezugnahme auf die Begründung zur Novellierung der Wertermittlungsverordnung im Jahre 1972; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18. November 2005 – 8 S 496/05 -, BRS 69 Nr. 206; Nieders. OVG, Beschluss vom 10. März 2003 – 1 LA 38/03 -, NVwZ-RR 2003, 828). Dass die Vorschrift auch nach ihrer Neufassung im Jahre 1988 entscheidend darauf abstellt, dass ein sanierungsbedingter Vorteil nicht realisiert werden kann, ist der klarstellenden Aussage in der Begründung (BR-Drs. 352/88, S. 67) zu entnehmen, wonach § 28 Abs. 3 Satz 2 WertV nur den Endwert betrifft, da als zulässige Nutzbarkeit im Sanierungs- oder Entwicklungsgebiet nach dem Sinn der Bestimmung – Einschränkung der Nutzbarkeit durch bestehen bleibende Bebauung – nur der Zustand des Grundstücks nach Abschluss der Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahme gemeint sein könne. Die Vorschrift bezieht sich danach nicht auf den Fall, dass schon im Ausgangszustand vor der Sanierung die zulässige Nutzung nicht ausgeschöpft war. Dies schließt es aus, allein in der geringeren wirtschaftlichen Ertragsfähigkeit eines Altbaus gegenüber einem Neubau bereits eine zur Minderung des Ausgleichsbetrags führende Beeinträchtigung der zulässigen Nutzbarkeit zu sehen (a. A. Möckel, Zur Beeinträchtigungsklausel des § 28 Abs. 3 Satz 2 Wertermittlungsverordnung bei erhaltender Stadterneuerung, ZfBR 2002, 753, 759), denn es handelt sich dabei nicht um eine Beeinträchtigung, die sich erst im Zustand nach dem Abschluss der Sanierung ergibt.

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