Die Übertragung von Immobilien unter Berücksichtigung drohender Pflegebedürftigkeit

Schenkungen von Immobilien an Familienangehörige im Wege vorweggenommener Erbfolge waren früher hauptsächlich steuerlich motiviert. Die Schenkungssteuer, welche der Erbschaftssteuer nachgebildet ist, bietet großzügige Freibeträge, die alle 10 Jahre neu genutzt werden können. Für Ehegatten beträgt der Freibetrag nach § 16 Erbschaftssteuergesetz 500.000 Euro, bei Übertragungen an leibliche Kinder beträgt er je Kind 400.000 Euro. Bei Übertragungen direkt an die Enkel können immer noch 200.000 Euro Schenkungssteuer frei übertragen werden, § 16 Abs. 1 Nummer 3 Erbschaftssteuergesetz.

Durch die rapide Zunahme des Pflegerisikos und der hiermit verbundenen Kosten wird die Attraktivität der vorweggenommenen Erbfolge zunehmend überlagert durch unterhaltsrechtliche Überlegungen.

Ausgangspunkt § 528 BGB

Bei Heranziehung der volljährigen Kinder zum Unterhalt ihrer Eltern (Elternunterhalt) ist es meistens der Sozialhilfeträger, der die Ansprüche des pflegebedürftigen Elternteils geltend macht. Ein verschenkter Gegenstand gehört zwar grundsätzlich nicht mehr zum unterhaltsrechtlich relevanten Vermögen der in Anspruch genommenen Person, jedoch stellt das Bürgerliche Gesetzbuch dem Schenker innerhalb von 10 Jahren nach Vollzug der Schenkung einen Rückforderungsanspruch zur Verfügung, wenn der Schenker auf den Gegenstand nachträglich aufgrund persönlicher Bedürftigkeit angewiesen ist. Diese Forderung ist ein grundsätzlich verwertbarer Vermögensgegenstand.

Der Rückforderungsanspruch gegen das volljährige Kind kann von dem Sozialhilfeträger grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend gemacht werden, sondern er stellt  einen Vermögenswert dar, der zunächst vor der Bewilligung von Sozialhilfe als Vermögenswert beim antragstellenden Elternteil zu berücksichtigen ist. Erst nach Bewilligung von Sozialhilfe kann der Sozialhilfeträger durch eine sogenannte Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII Rückforderungsansprüche auf sich selbst überleiten und im eigenen Namen geltend machen.

Bei lebzeitiger Übertragung kann durch verschiedene Gestaltungsvarianten dafür gesorgt werden, dass der Zugriff des Sozialhilfeträgers zumindest erschwert wird.

Gemischte Schenkung

Der Übertragungsvertrag sollte mit kaufvertraglichen Elementen verbunden werden, um die Einschlägigkeit der Tatbestandsvoraussetzungen des § 528 BGB einzuschränken.

Individuelle Nutzen- Lasten-Regelung

Im Elternunterhaltsrecht ist anerkannt, dass bestimmte Verbindlichkeiten, die der Unterhaltsverpflichtete laufend zu bedienen hat, seine Leistungsfähigkeit einschränken und damit die Unterhaltspflicht reduzieren. Dies gilt grundsätzlich für sämtliche immobilienbezogenen Kosten, egal ob diese aus der selbstbewohnten Immobilie heraus entstehen oder aus reinen Kapitalanlageobjekten. Durch eine am besten im Grundbuch einzutragende individuelle Nutzen-Lasten-Regelung kann der Schenker einen erheblichen Teil der laufenden Grundstückslasten bei sich behalten, was im Verhältnis zum Sozialhilfeträger im Falle einer späteren Heranziehung zum Elternunterhalt sich als günstige Gestaltung erweist.

Nießbrauch

In der klassischen vorweggenommenen Erbfolge behält sich der Schenker einen umfangreichen Nießbrauch an dem übertragenen Objekt vor, um die Grundlage seines Lebensunterhaltes nicht mit dem Objekt selbst aus der Hand zu geben. Der Nießbrauch kann sehr individuell gestaltet werden. Neben der bereits angesprochenen Nutzen-Lasten-Regelung können auch die sonstigen Nießbrauchsbefugnisse unterhaltsrechtlich so optimiert werden, dass die bei dem Schenker verbleibenden Befugnisse die von der Rechtsprechung gewährten Freibeträge, Selbstbehalte und Schonvermögensbeträge sowie sonstigen Abzüge möglichst vollständig berücksichtigen.

Im Übertragungsvertrag ist unbedingt darauf zu achten, dass der Gläubigerzugriff auf das Nießbrauchrecht beschränkt wird. Dies geschieht in der Regel, indem in einer besonderen Klausel das Erlöschen des Nießbrauches für den Fall bestimmt wird, dass der Nießbrauchsberechtigte krankheitsbedingt ihn nicht mehr selbst ausüben kann bzw. in ein Pflegeheim zieht. Hier ist sehr auf die genaue Formulierung zu achten, zumal viele Notare diesbezüglich zu wenig Problembewusstsein haben. Eine anwaltliche Begleitung und Überprüfung des Vertrages ist zu empfehlen.

Seit der Reform des Erbschaftssteuer- und Bewertungsrechts zum 1. Januar 2009 wird der Nießbrauch nach der aktuellen Sterbetafel bewertet. Die Kapitalwertermittlung erfolgt in der Praxis nach der Anlage zu § 14 Abs. 1 Bewertungsgesetz. Vereinfacht erfolgt die Berechnung nach der Formel: Jahresnettomiete ohne Betriebskosten des Übergabeobjekts multipliziert mit dem Kapitalwertfaktor. Seit 2009 ist der auf diese Weise ermittelte Nießbrauchwert vom Wert des Übergabeobjekts vollständig abzugsfähig, mindert damit die steuerliche Bemessungsgrundlage und damit die Steuerbelastung. Nach der früheren Rechtslage konnte lediglich die auf den Nießbrauch entfallende Schenkungssteuer gestundet werden, während ein direkter Abzug nicht möglich war.

In der Regel nur Wertersatz geschuldet

Die Vertragsgestaltung muss berücksichtigen, dass der Inhalt des Rückforderungsanspruchs in der Regel tatsächlich nicht auf Rückübertragung des Geschenkes, sondern auf reinen Wertersatz in Höhe eines Teiles des Verkehrswertes der Immobilie gerichtet ist, vergleiche BGH NJW 1985, Seite 2419. Nur wenn der Notbedarf höher ist als der Wert des Geschenkes, besteht ein echter Rückforderungsanspruch. Dabei kann der Wertersatzanspruch im Ergebnis dem Beschenkten unangenehmer sein als die Rückübertragung, weil der Wertersatzanspruch auf Geldzahlung gerichtet ist und eine Liquidität voraussetzt, die oftmals gar nicht vorhanden ist.

Abwendung des Zahlungsanspruchs durch Rückgabe

Bei der Übertragung der Immobilie vom demnächst möglicherweise bald pflegebedürftigen Elternteil auf die volljährigen Kinder ist regelmäßig eine vertragliche Regelung empfehlenswert, mit welcher der von dem Sozialhilfeträger direkt überleitungsfähige Rückforderungsanspruch näher geregelt wird. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 17. Dezember 2009, Aktenzeichen Xa ZR 6/09, kann der Beschenkte in jedem Fall die gegen ihn gerichteten Ansprüche durch Rückgabe des Geschenkes abwenden. Ihn trifft nicht die Verpflichtung, das Geschenk zu verwerten oder eigene Mittel einzusetzen, um den Unterhaltsbedarf des Schenkers zu sichern. Das Risiko und die Kosten der Verwertung treffen damit den Träger der Sozialhilfe. Nach der Konstruktion des § 528 Abs. 1 BGB bedurfte es einer derartigen höchstrichterlichen Klärung, weil der Rückforderungsanspruch seiner Höhe nach beschränkt ist auf den konkreten Unterhaltsbedarf zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs. Damit bleibt er regelmäßig hinter dem Wert des Geschenks zurück. Das Gesetz sieht in solchen Fällen grundsätzlich die Verpflichtung zur Zahlung von Wertersatz vor, weil im Falle einer Immobilie eine teilweise Rückgabe grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Es ist empfehlenswert, bereits im Übertragungsvertrag näher zu regeln, wie die Rückübertragung im Notfall stattfinden soll. Insbesondere kann auf eine derartige Weise die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Schonvermögen im Rahmen des Elternunterhalt ausgenutzt werden, wonach ein selbst bewohntes und im eigenen Eigentum befindliches Haus grundsätzlich der in Anspruch genommenen Person zu belassen ist. Dies gilt aber nur, wenn die Immobilie tatsächlich sich im Vermögen der in Anspruch genommenen Person befindet. Einen fiktiven Schutz auch des bereits an Dritte übertragenen Grundbesitzes, welcher vor der Übertragung Schonvermögen gewesen wäre, erkennt der Bundesgerichtshof nicht an, BGH NJW 1994, Seite 1655, NJW 2005, Seite 670. Die Rückübertragung kann hier die Lösung bieten.

Kettenschenkung als Lösung?

Zum einen gelingt es dann in der Regel nicht, für den Schenker genügende Absicherungen für seinen eigenen Lebensunterhalt vorzusehen. Zum anderen bleibt der Beschenkte grundsätzlich in voller Höhe des bereits weiter übertragenen Gegenstands einem Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB ausgesetzt. Die Berufung auf so genannte Entreicherung scheitert außerdem im Ergebnis meist an § 822 BGB. Hiernach ist im Falle unentgeltlicher Entreicherung der weiter Beschenkte in der Ausfallhaftung.

Wohnrecht

Neben dem Nießbrauch bietet sich vielfach die Bestellung eines dinglichen Wohnrechtes, das im Grundbuch einzutragen ist, an. Wird das Wohnrecht zu Gunsten des möglicherweise bald pflegebedürftigen Elternteils bestellt, sollte es unbedingt auflösend bedingt durch den Umzug in ein Pflegeheim formuliert werden, damit nicht der Sozialhilfeträger das Wohnrecht durch Fremdvermietung verwerten kann.

Vertraglicher Ausschluss des Rückforderungsanspruchs?

Der Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden, weil es sich hierbei um einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter handeln würde.

Absicherung des Schenkers durch Verfügungsunterlassungsvertrag

Bei der Übertragung von Immobilien an die Kinder besteht oftmals die Befürchtung, dass diese in Versuchung geraten könnten, gegen den Willen der anderen Familienmitglieder vorzeitig die Immobilie durch einen Weiterverkauf zu Geld zu machen. Dem kann wirksam durch einen so genannten Verfügungsunterlassungsvertrag flankiert durch eine grundbuchliche Rückauflassungsvormerkung im Verfügungsfalle begegnet werden.

Pflichtteilsregelungen, Anrechnungsregelungen

Lebzeitige Übertragungen stellen nicht unter allen Umständen gleichsam aus sich heraus im Erbfall anrechenbare Schenkungen dar. Deshalb sollten entsprechende Anrechnungsbestimmungen immer im Vertrag vorgesehen werden. Vielfach kann es auch von Vorteil sein, bereits endgültige Regelungen über Pflichtteilsansprüche der bedachten Kinder zu finden. Da eine wirksame Anrechnungsbestimmung noch nicht zwingend den Wegfall des Pflichtteilsanspruchs bedeutet, sollte bei entsprechender Bereitschaft der Kinder ein expliziter Pflichtteilsverzicht erwogen werden.

Vorkaufsrecht, Miteigentümergemeinschaft

Weitere Varianten können durch die Einräumung von Vorkaufsrechten oder auch die Bildung von Miteigentümergemeinschaften, gegebenenfalls auch unter Belassen eines Miteigentumsanteils bei dem Schenker, geschaffen werden. Gerade die Miteigentümergemeinschaft, welche dann wiederum grundbuchlich gesichert das Recht zur Aufhebung der Gemeinschaft ausschließen sollte, bildet vielfach einen wirksamen Schutzschirm gegen den Zugriff des Sozialhilfeträgers, zumindest aber vergrößerten Raum für erfolgreiche Verhandlungen mit der Behörde. Der Ausschluss des Rechtes zur Aufhebung der Gemeinschaft bedeutet, dass keiner der Miteigentümer gegen den Willen der anderen Eigentümer das Objekt versteigern lassen kann (§§ 180, 181 ZVG).

Weitere Informationen zum Thema Wohnrecht finden Sie in dem Beitrag→ Das Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB – ein Überblick.

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