Auch Lebensversicherungen unterliegen dem Versorgungsausgleich, wenn sie eine auf Rentenzahlung ausgerichtete Leistung vorsehen. Bei vereinbartem Kapitalwahlrecht kann damit eine Lebensversicherung dem Versorgungsausgleich durch Ausübung dieses Wahlrechts wieder entzogenw werden. dies ist sogar noch im laufenden Scheidungsverfahren möglich.
Missbrauchsgefahr
Der Bundesgerichtshof sieht in seiner Rechtsprechung die Gefahr, dass durch diese Rechtsprechung der ausgleichsberechtigte Ehegatte benachteiligt werden kann. Einer solchen Benachteiligung kann allerdings dadurch vorgebeugt werden, dass rechtzeitig vor Ausübung des Wahlrechts die Realteilung durchgeführt und das Wahlrecht des ursprünglichen Anrechtsinhabers damit auf den ihm verbleibenden Anteil beschränkt oder das Versicherungsanrecht, falls nicht real teilbar, durch eine Abfindung ausgeglichen wird. In denjenigen Fällen, in denen dieser Weg nicht gangbar ist, kann immer noch eine Berücksichtigung des Anrechts im Wege des Zugewinnausgleichs stattfinden.
Das Stichtagsprinzip im Zugewinnausgleich
Der Bundesgerichtshof erklärt, dass das Stichtagsprinzip des § 1384 BGB eine Einbeziehung eines solchen Anrechts in den Zugewinnausgleich nicht behindert. Denn das Anrecht ist als wirtschaftlicher Wert bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags im Endvermögen des Anrechtsinhabers bereits vorhanden. Der bloße Wechsel der Anrechtsform schließt es nicht aus, das Anrecht mit eben diesem Wert in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustellen. Damit ist eine noch nachträgliche Berücksichtigung der Lebensversicherung im Zugewinnausgleich möglich, auch wenn grundsätzlich nach dem Stichtagsprinzip beim Zugewinnausgleich auf dem Monat des Scheidungsantrags für das so genannte Endvermögen abgestellt wird, also auf einen Zeitpunkt, zu welchem in den hier in Rede stehenden Fallkonstellationen das Wahlrechts noch nicht ausgeübt worden war.
Achtung: Zugewinnausgleich offen halten
Eine solche Berücksichtigung im Zugewinnausgleich, die gleichsam Rückwirkung entfaltet, ist allerdings dann nicht mehr möglich, wenn vor der Ausübung des Wahlrechts über den Zugewinnausgleich bereits entschieden oder eine Einigung getroffen worden ist. Der BGH fordert die unterinstanzlichen Familiengerichte hier auf, auf einen Gleichlauf von Zugewinn-und Versorgungsausgleich Bedacht zu nehmen, um einem manipulativen Wechsel zwischen beiden Instituten zu begegnen.
Im Einzelfall Sperrung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben
Weiterhin findet sich in dem Weg weisenden Beschluss vom 5. Februar 2003 der Appell des Bundesgerichtshofes an die Gerichte, im Einzelfall zu prüfen, ob die Ausübung des Wahlrechts im Verhältnis zum ausgleichsberechtigten Ehegatten gegen § 242 BGB verstoßen kann mit der Folge, dass das Anrecht dennoch im Versorgungsausgleich ausnahmsweise in der Gesamtbilanz zu berücksichtigen ist, beispielsweise durch Herausnahme wertmäßig ähnlicher Versorgungen auf Seiten desjenigen Ehegatten, der das Wahlrecht in manipulativer Absicht ausgeübt hat.
Bestätigung der Rechtsprechung durch BGH Beschluss vom 18. April 2012 Az. XII ZB 325/11
die höchstrichterliche Rechtsprechung ist im April 2012 nochmals bekräftigt worden. Insbesondere wurde klargestellt, dass auch die Einführung des Versorgungsausgleichsgesetzes im September 2009 die frühere Rechtslage nicht verändert hat. Nur die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch dem Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechte können in diesen einbezogen werden. Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich auf den Ausgleich von Renten zugeschnitten. Anrechte aus einer privaten Kapitalversicherung sind schon deswegen nicht im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, weil sie nicht auf eine Rente, sondern auf Auszahlung eines Kapitalbetrages gerichtet sind, über den der Berechtigte frei verfügen kann (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 – XII ZB 555/10 – FamRZ 2011, 1931 Rn. 13). Dies gilt auch, wenn der Berechtigte einer privaten Rentenversicherung von dem vertraglich vereinbarten Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht hat. Unerheblich ist somit, ob sich der private Versicherungsvertrag von Beginn an auf eine Kapitalversicherung bezog oder ob im Falle einer Rentenversicherung bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts das vereinbarte Kapitalwahlrecht ausgeübt worden ist. In beiden Fällen unterliegt das ehezeitlich erworbene Anrecht nicht (mehr) dem Versorgungsausgleich, sondern ist einer Berücksichtigung im Zugewinnausgleich vorbehalten.
Kein Verstoß gegen das Stichtasgsprinzip auch unter Geltung des §§ 3, 5 Versorgungsausgleichsgesetz
Einer Berücksichtigung des erst nach Ende der Ehezeit ausgeübten Kapitalwahlrechts steht auch das Stichtagsprinzip der §§ 3 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 2 VersAusglG nicht entgegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung eines Anrechts ist zwar nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG das Ende der Ehezeit. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit sind jedoch zu berücksichtigen, wenn sie auf den Ehezeitanteil zurückwirken (§ 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Die spätere Ausübung des Kapitalwahlrechts wirkt sich zwar nicht auf den Wert des Anrechts aus, aber auf dessen Ausgleichsform (BGH Beschluss vom 5. Oktober 2011 – XII ZB 555/10 – FamRZ 2011, 1931 Rn. 14).
Kein Verstoß gegen Halbteilungsgrundsatz
Hierdurch wird auch der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt, da dieser Vermögenswert im Zugewinnausgleichsverfahren ausgeglichen wird. In den Fällen, in denen es etwa aufgrund von vereinbarter Gütertrennung zu einem Nichtausgleich kommt, ist dies Folge eines unter notarieller Beratung geschlossenen Vertrages über den Güterstand (vgl. BGH Beschluss vom 19. März 2003 – XII ZB 42/99 – FamRZ 2003, 923, 924) und nicht Folge dessen, dass solche Ansprüche nicht dem Versorgungsausgleich unterliegen.
Achtung: Nach neuem Recht Ausnahme für Betriebsrenten und Versorgungen nach Altersvorsorgezertifizierungsgesetz
Auch gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sind Anrechte grundsätzlich nur dann im Versorgungsausgleich auszugleichen, wenn sie auf eine Rente gerichtet sind. Eine Ausnahme ist vorgesehen für Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG), diese sind unabhängig von der Leistungsform auszugleichen. Weder private Kapitallebensversicherungen noch private Rentenversicherungen nach Ausübung des vereinbarten Kapitalwahlrechts unterfallen dieser Ausnahmeregelung (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 – XII ZB 555/10 – FamRZ 2011, 1931 Rn. 16). Auch nach den übrigen Vorschriften des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes ist eine Einbeziehung dieses Anspruchs in den Versorgungsausgleich nicht gerechtfertigt (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 – XII ZB 555/10 – FamRZ 2011, 1931 Rn. 16).
Keine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift auf private Lebensversicherungen
Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ist eindeutig und schließt eine Erstreckung der von der Leistungsform unabhängigen Einbeziehung in den Versorgungsausgleich auf private Lebensversicherungen aus. Für eine Ausweitung der Ausnahmen gibt der Wortlaut nichts her (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 – XII ZB 555/10 – FamRZ 2011, 1931 Rn. 17). Mit der Aufnahme der beiden Ausnahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG hat der Gesetzgeber indirekt den Ausschluss der übrigen privaten Kapitallebensversicherungen aus dem Versorgungsausgleich bestätigt (Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 159).
Auch eine teleologische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die vom Gesetzgeber als Ausnahmen geregelten Fälle sind weder mit privaten Kapitallebensversicherungen noch mit privaten Rentenversicherungen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts vergleichbar. Anders als diese haben private Lebensversicherungen schon strukturell nicht stets Vorsorgecharakter. Sie weisen keinen primären Altersvorsorgecharakter auf, sondern dienen vielfach auch dem Konsum. Zudem kann die ausgleichspflichtige Person schon in der Anwartschaftsphase über das angesparte Kapital verfügen, z.B. durch eine vorzeitige Kündigung. Dies ist bei Anrechten der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig nicht möglich (BT-Drucks. 16/10144 S. 47). Anrechte nach dem Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz können nicht in einen reinen Kapitalbetrag umgewandelt werden.