Betreuungsrecht: Bestellung eines Berufsbetreuers gegen den Wunsch des Betroffenen in der Regel rechtswidrig

Der im Betreungsrecht tätige Anwalt hat immer wieder mit dem Fall zu tun, dass das Gericht den Angehörigen des Betroffenen misstaut und statt ihrer einen Berufsbetreuer bestellt. Diese Verfharensweise ist oft rechtswidrig. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr über den Umfang der Ermittlungspflicht in Fällen, in denen das Betreuungsgericht statt eines vom Betroffenen vorgeschlagenen Angehörigen eines Berufsbetreuer auswählt, entschieden. Der Betreuungsrechtsanwalt muss diese Rechtsprechung kennen, um seinen Mandanten im Betreuungsverfahren effektiv vertreten zu können.

Die Betreuerbestellung allgemein

Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist. So schreibt es das Gesetz in § 1896 Abs. 2 Satz eins BGB vor. Eine Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch ein Betreuer besorgt werden können. Eine solche Bevollmächtigung geschieht in der Regel durch eine Vorsorgevollmacht.
Allerdings hindert eine vom Betroffenen bereits früher erteilte Vollmacht die Bestellung eines Betreuers nur, wenn die Vollmacht wirksam ist. Bereits dann, wenn an der Wirksamkeit ernsthafte Zweifel bestehen, kann ein Betreuungsbedürfnis bestehen.
Ein Gericht, dass entgegen dem Vorschlag des Betroffenen nicht die von ihm ausgewählte Person, sondern ein Berufsbetreuer bestellen möchte, muss zur feststellung der erforderlichen Tatsachen alle relevanten Umstände von sich aus aufklären, sog. Amtsermittlugnsgrundsatz. Über Art und Umfang dieser Ermittlungen entscheidet zwar grundsätzlich der Tatrichter nach eigenem Ermessen. Er darf dabei aber nicht die ihm von dem Gesetz gezogenen Grenzen überschreiten.

Keine Geschäftsfähigkeit erforderlich

Nach § 1897 II BGb hat das Betreuungsgericht einen Vorschlag des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen, sofern die Bestellung ds vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft. ein solcher Voirschlag erfordert in der Regel weder Geschäftsfähigkeit noch Einsichtsfähigkeit, BGH
NJW 2011, S. 925.
Es ist auch nicht erforderlich, dass der Vorschlag des Betroffenen ernsthaft, eigenständig gebildet und dauerhaft sein muss. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden.
Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung eines solchen Vorschlags begegnet.

Die besondere Stellung der Angehörigen

Nach § 1897 Abs. 5 Satz 1 BGB ist, wenn der Betroffene niemanden als Betreuer vorgeschlagen hat, bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandt-schaftlichen Beziehungen des Betroffenen, insbesondere auf dessen persönli-che Bindungen – etwa zu eigenen Kindern – Rücksicht zu nehmen. Diese Rege-lung gilt auch dann, wenn der Betroffene einen Verwandten, etwa sein Kind, als Betreuer benannt hat (vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 128). Denn das Kind des Betroffenen wird nach Maßgabe dieser Vorschrift “erst recht” zum Betreuer zu bestellen sein, wenn der Betroffene selbst dieses Kind ausdrücklich als Betreuer seiner Wahl benannt hat, mag der Betroffene auch bei der Benennung nicht oder nur eingeschränkt geschäftsfähig gewesen sein.
In Würdigung der in § 1897 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 BGB getroffenen Wertentscheidungen wird ein Kind des Betroffenen, das zum Betroffenen persönliche Bindungen unterhält und das der Betroffene wiederholt als Betreuer benannt hat, deshalb bei der Betreuerauswahl besonders zu berücksichtigen sein und nur dann zugunsten eines Berufsbetreuers übergangen werden können, wenn gewichtige Gründe des Wohls des Betreuten einer Bestellung seines Kindes entgegenstehen (vgl. BVerfGE 33, 236, 238 f.). Diese rechtliche Gewichtung stellt auch an die tatrichterliche Ermittlungspflicht besondere Anforderungen.

Persönliche Anhörung des Angehörigen ist rechtsstaatliches Minimum

Der Tatrichter wird Gründe, die möglicherweise in der Person des vom Betroffenen als Betreuer benannten Kindes liegen, verlässlich nur feststellen können, wenn er dem Kind Gelegenheit gegeben hat, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen. Es verstößt gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, wenn der Tatrichter in seiner Entscheidung ausdrücklich die Eignung des benannten Kindes zum Betreueramt sowie die Redlichkeit des Kindes gegenüber dem Elternteil in Zweifel zieht und sich hierbei auf Mitteilungen Dritter beruft, ohne zuvor das als Betreuer vorgeschlagene Kind – bei derart gravierenden Vorwürfen sogar regelmäßig persönlich – zu den von Dritten mitgeteilten Tatsachen anzuhören. Eine solche Verfahrensweise wäre schon allgemein als Grundlage einer Betreuerauswahl, bei der ein Berufs-betreuer einem möglichen ehrenamtlichen Betreuer – aufgrund dessen angeblich fehlender Eignung und mangelnder Redlichkeit – vorgezogen wird, nicht unbedenklich (vgl. § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB). Als tatrichterliche Basis einer Entscheidung, durch die ein Kind des Betroffenen, obschon mit diesem persön-lich verbunden und von diesem wiederholt als Betreuer benannt, als Betreuer übergangen wird, kann eine solche Verfahrensweise nicht hingenommen werden.

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