Vergleichsweise wenig bekannt ist die Vorschrift des § 1579 BGB. Hiernach verliert ein Ehegatte seinen Anspruch auf Ehegattenunterhalt, wenn er sich in bestimmten im Gesetz näher bezeichneten Fällen einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltsverpflichteten Ehegatten schuldig gemacht hat oder eine sonstige Fallgruppe des § 1579 BGB bzw. § 1577 BGB vorliegt.
Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die verschiedenen Konstellationen.
Kurze Dauer der Ehe
Eine kurze Ehedauer wird von der Rechtsprechung in der Regel angenommen bis zum Ablauf von zwei Jahren bis zur Zustellung des Scheidungsantrages. In bestimmten Konstellationen kann aber auch eine Ehezeit bis zu fünf Jahren noch als kurz angesehen werden, vergleiche BGH Familienrecht Zeitung 1987, Seite 463. Ein anderes Beispiel gibt die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Neue Juristische Wochenschrift 1999, Seite 1547. Der regelmäßige Maßstab ist der Umfang der Verflechtung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten. Von besonderer Bedeutung ist, ob gemeinschaftliche Kinder vorhanden sind. Der Ausschluss des Unterhaltsanspruchs muss also auch unter Wahrung der Kindesbelange gerechtfertigt sein.
Leben in einer neuen verfestigten Lebensgemeinschaft
Hat sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte einem neuen Partner zugewandt, führt dies irgendwann zum Erlöschen seines Unterhaltsanspruchs. Da es sich hierbei um einen Umstand handelt, der oft erst in der nachehelichen Zeit eintritt, ist hierauf besonders bei der Verhandlung über eine umfassende Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zu achten. Das Leben einer neuen Lebensgemeinschaft kann Abänderungsgrund sein, es sei denn, dass in der Vereinbarung die Abänderung ausgeschlossen worden ist. Vereinbaren die Eheleute eine Abfindung des Unterhaltsanspruchs durch eine Einmalzahlung, kommt eine nachträgliche Reduzierung unter Hinweis auf die neue Lebensgemeinschaft des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten meist nicht in Betracht.
Die hinreichende Verfestigung tritt nach der Rechtsprechung in der Regel nach 2-3 Jahren ein, bei Hinzutreten weiterer Umstände kann allerdings auch eine Lebensgemeinschaft, die erst ein Jahr besteht, schon zum Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führen, Bundesgerichtshof Familienrecht Zeitung 2012, Seite 1201. Selbst acht Monate können ausreichen, Oberlandesgericht Frankfurt am Main NJW 2013, Seite 1686.
Straftaten, Strafanzeigen
Ein versuchtes Tötungsdelikt gegen den unterhaltsverpflichteten Ehegatten schließt künftige Unterhaltsansprüche aus, Oberlandesgericht Schleswig Familienrecht Zeitung 2000, Seite 1175. Eine gefährliche Körperverletzung genügt nach herrschender Auffassung nicht, wenn es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelt. Eine häufige Fallgruppe ist der Prozessbetrug. Die Einreichung bewusst unwahren Vorbringens bei Gericht, insbesondere im Prozess selbst, kann den Straftatbestand des Prozessbetruges nach § 263 StGB erfüllen. Das Versuchsstadium genügt. Über die Vorschrift des § 1579 BGB kann dies zur Herabsetzung bis hin zum völligen Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führen. Typisch falsche Darstellungen finden sich vor Gericht oft bei den Angaben zu einer neuen Lebensgemeinschaft, zu der Höhe der eigenen Einkünfte oder auch zum Tilgungsstand von Darlehen.
Eine Zeitung sehr verbreitet waren unberechtigte Strafanzeigen wegen behaupteten sexuellen Missbrauchs der Kinder. Wenn keine gravierenden Anhaltspunkte für eine tatsächliche Straftat vorliegen, kann eine derartige Strafanzeige zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führen, OLG Celle Familienrecht Zeitung 2008, Seite 1627.
Vorsätzlich herbeigeführte eigene Bedürftigkeit
Wer seine eigene Erwerbsfähigkeit oder sein angespartes Vermögen verantwortungslos und leichtfertig einbüsst, kann auf der eingetretenen Bedürftigkeit beruhende Unterhaltsansprüche gerade durch dieses Verhalten verlieren. Die Eigenkündigung des Arbeitsplatzes kann ebenso dazugehören wie der hemmungslose Missbrauch von Genussmitteln (insbes. Alkohol). Wer empfohlene ärztliche Behandlungen nachhaltig unterlässt und hierdurch Schaden an seiner Erwerbsfähigkeit nimmt, kann den Verwirkungstatbestand erfüllen, Oberlandesgericht Hamm Familienrecht Zeitung 1996, Seite 1080. Bei der Verschwendung von Vermögen muss immer das Verhältnis zum Recht des Zugewinnausgleichs beachtet werden. § 1577 BGB stellt bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Ehegatten im übrigen auch bereits auf die individuellen Vermögensverhältnisse ab
§ 1577 BGB: Kein Unterhalt für denjenigen, der sich aus eigenem Vermögen selbst unterhalten kann
Nicht im Rahmen des Trennungsunterhalts, aber in der nachehelichen Zeit kann der geschiedene Ehegatte trotz möglicherweise geringer eigener laufende Einkünfte auf sein Vermögen verwiesen werden, wenn dieses erheblich ist. Er hat dann keinen nachehelichen Unterhaltsanspruch.
Beeinträchtigung der Einkommenssituation des unterhaltsverpflichteten Ehegatten
Zu dieser Fallgruppe gibt es wenig Rechtsprechung. Ein Beispiel liefert die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm Familienrecht Zeitung 2002, Seite 242. Dort hatte der unterhaltsberechtigte Ehegatte einen Versicherungsbetrug begangen, der sich auch zulasten des unterhaltsverpflichteten Ehegatten auswirkte. Die immer noch klassische Fallgruppe daneben sind leichtfertige Strafanzeigen gegen den unterhaltsverpflichteten Ehegatten aus Rache, die zu wirtschaftlich nachteiligen Folgen führen, obwohl am Ende das Verfahren eingestellt wird. Weiterhin gehört hierzu die Denunziation beim Arbeitgeber, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob wahre oder falsche Tatsachen dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Ein Teil der Rechtsprechung ordnet auch den Prozessbetrug (siehe oben) in diese Fallgruppe.
Verschleuderung in der Zwangsversteigerung?
Die Weigerung, das gemeinschaftliche Familienheim oder sonstige im Miteigentum stehende Grundstücke freihändig zu verkaufen und sie stattdessen in die Teilungsversteigerung zu geben, begründet in der Regel trotz wirtschaftlicher Nachteil der Teilungsversteigerung keinen Verwirkungstatbestand. Denn die Teilungsversteigerung ist das gesetzlich vorgesehene Instrument zur Vermögensauseinandersetzung von Grundeigentum.
Verletzung eigener Unterhaltspflichten zu Zeiten des ehelichen Zusammenlebens
Die grobe und dauerhafte Vernachlässigung der Haushaltsführung, der Sorge für die Kinder oder auch der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit trotz Möglichkeit und keiner sonstigen Leistung von Familienunterhalt (insbesondere durch Haushaltsführung oder Kindererziehung) kann jedenfalls zur Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nach der Trennung bis in die nacheheliche Zeit führen.
Vereitelung des Umgangsrechts
Die Vereitelung des Umgangsrechts kann bei entsprechender Schwere und Nachhaltigkeit und bei Nachweis der bösen Absicht unterhaltsrechtliche Auswirkungen haben. Bei entsprechend guter Beweislage kann auch die Herbeiführung einer ablehnenden Haltung des Kindes durch psychische Einflussnahme bereits ausreichen, Bundesgerichtshof Familienrecht Zeitung 187, Seite 356.
Sexuelle Ausschweifung, Prostitution, Ehebruch
Während einmaliger Ehebruch allein noch nicht zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führt, kann das nachhaltige Hintergehen des Ehegatten mit außerehelichen Beziehungen während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft über eine längere Zeit und in besonders rücksichtsloser und demütigender Weise nach wie vor die Verwirkung begründen.
Verschweigen der außerehelichen Vaterschaft eines Kindes
Verschweigt die Mutter gegenüber dem Ehemann die Tatsache, dass das eheliche Kind von einem anderen Mann stammt, der Ehegatte also nur Scheinvater ist, erfüllt dies auch heute noch regelmäßig den Verwirkungstatbestand, Bundesgerichtshof Familienrecht Zeitung 2012, Seite 779. Auch der Versorgungsausgleich kann dann ausgeschlossen sein.