Jeder Hauseigentümer sollte eine Gebäudeversicherung abgeschlossen haben. Um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden, wie das Versicherungsvertragsgesetz einige wichtige Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor. So ist der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss, während des laufenden Vertragsverhältnisses und bei Eintritt eines Versicherungsfalles in jeder Hinsicht verpflichtet, gefahrerhebliche Umstände anzuzeigen und stets wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Auch zu Vorschäden müssen immer vollständige Angaben gemacht werden. Aus Fahrlässigkeit kann es durchaus zu Situationen kommen, in denen eine Obliegenheitsverletzung im Raume steht. Nicht jede Obliegenheitsverletzung führt aber bereits zum Verlust des Versicherungsschutzes. Ein wichtiges Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 2007 zeigt dies exemplarisch.
Der Fall Bundesgerichtshof Az: IV ZR 5/06 Urteil vom 07.02.2007
Die Klägerin, Eigentümerin eines am 5. Januar 1999 niedergebrannten Einfamilienhauses mit Nebengebäude, fordert von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer Wohngebäude- sowie einer Hausratversicherung.
Für das ursprünglich vom Ehemann der Klägerin im Jahre 1990 erworbene Anwesen hatte dieser zunächst bis Ende 1996 eine Hausrat- und eine Gebäudeversicherung bei der P. B. kasse (im Folgenden: Vorversicherer) genommen, für die er seinerzeit auch beruflich tätig war. Mit Wirkung zum 1. Dezember 1996 wurden sowohl dieses Beschäftigungsverhältnis als auch die Versicherungsverträge beendet.
Ebenfalls 1996 wurde das gesamte Anwesen der Klägerin übereignet.
Am 22. November 1996 hatte der Ehemann der Klägerin einen Wasserschaden in der Küche des Einfamilienhauses angezeigt, den der Vorversicherer im Januar 1997 mit einer Zahlung von 22.500 DM regulierte.
Die Klägerin richtete zusammen mit ihrem Ehemann am 10. Dezember 1996 unter Vermittlung der Versicherungsmaklerin D. GmbH an die Beklagte zwei Anträge auf Abschluss von Gebäudeversicherungen für Haupt- und Nebengebäude. In beiden Anträgen ist auf die entsprechende Frage der Vorversicherer bezeichnet, jedoch die Frage nach Vorschäden nur mit den Worten “in den letzten Jahren ca. 500,- DM Sturmschäden” beantwortet. Der Wasserschaden blieb unerwähnt.
Ab dem 15. Dezember 1996 gewährte die Beklagte den Eheleuten vorläufige Deckung. Am 4. Februar 1997, einen Tag vor Annahme der Versicherungsanträge, meldete der Ehemann der Klägerin der Beklagten einen Wasserschaden, der nach seiner Behauptung infolge einer Verstopfung des Abflussrohrs für Spüle und Spülmaschine unterhalb des verfließten Küchenbodens eingetreten war. Am 17. Februar 1997 einigte man sich auf eine Entschädigung von 15.500 DM. Inzwischen ist der Ehemann der Klägerin rechtskräftig wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt worden, nachdem die strafrechtlichen Ermittlungen ergeben hatten, dass die behaupteten Schadenspositionen überwiegend identisch sind mit denen des vom Vorversicherer regulierten Wasserschadens vom 22. November 1996.
Nachdem eine im Dezember 1996 von den Eheleuten bei einem anderen Versicherer für beide Gebäude genommene Hausratversicherung wegen mehrerer Schadenfälle im Dezember 1997 von beiden Vertragsparteien wechselseitig gekündigt worden war, bemühte sich der Ehemann der Klägerin ab Januar 1998 um den Abschluss einer Hausratversicherung bei der Beklagten. Nach umfangreichem Schriftwechsel kam es am 17. August 1998 schließlich zum Abschluss einer Hausratversicherung.
Nach dem Brand vom 5. Januar 1999 trat der Ehemann seine Ansprüche aus den Versicherungsverträgen an die Klägerin ab. Diese fordert von der Beklagten aus der Hausratversicherung Leistungen in Höhe von 268.039,38 EUR und aus der Gebäudeversicherung eine Teilleistung von 51.150,90 EUR.
Anfechtung des Versicherungsvertrages
Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 hat die Beklagte gegenüber beiden Eheleuten die Anfechtung der Versicherungsverträge wegen arglistiger Täuschung (Verschweigen von Vorschäden bei Vertragschluss) erklärt. Unter anderem deshalb hält sie sich für leistungsfrei. Widerklagend hat sie die Rückzahlung der wegen des behaupteten Wasserschadens geleisteten 7.925,02 EUR (15.500 DM) gefordert.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob – wie das Landgericht angenommen hatte – die von der Beklagten erklärten Anfechtungen durchgreifen. Stattdessen hat es angenommen, das Leistungsbegehren der Klägerin stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar (§ 242 BGB), weil ihm ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in gleicher Höhe aus culpa in contrahendo gegenüberstehe, so dass die Klägerin das Verlangte sofort zurückgewähren müsste. Der Ehemann der Klägerin habe schuldhaft vorvertragliche Pflichten verletzt, als er der Beklagten vor Ausstellung der Versicherungspolice in der Gebäudeversicherung den bereits vom Vorversicherer regulierten Wasserschaden gemeldet habe. Dass beide Schäden identisch seien, zeige ein Vergleich der geltend gemachten Schadenspositionen, die in beiden Schadensmeldungen weitgehend übereinstimmten, ohne dass die Klägerin dafür eine plausible Erklärung gefunden habe.
Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss unabhängig von einer Anfechtung?
Die Beklagte hat keinen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragschluss, den sie, wie das Berufungsgericht annimmt, dem Leistungsbegehren der Klägerin im Wege des Arglisteinwandes nach § 242 BGB entgegenhalten könnte.
Soweit sich eine dem Versicherungsnehmer angelastete Täuschung auf einen gefahrerheblichen Umstand im Sinne der §§ 16, 17 VVG bezieht, sind die im Schuldrecht durch das Institut des Verhandlungsverschuldens geschützten Interessen in den §§ 16 bis 22 VVG eigenständig geregelt. Diese Vorschriften sanktionieren die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit abschließend. Grundsätzlich kommen deshalb nach dem Gesetz insoweit nur Prämienerhöhung, Kündigung oder Rücktritt in Betracht. Daneben steht es dem Versicherer offen, die Anfechtung seiner Annahmeerklärung wegen arglistiger Täuschung zu erklären (§§ 22 VVG, 123 BGB). Betrifft eine Nicht- oder Falschanzeige gefahrerhebliche Umstände, so bestehen daneben keine Ansprüche aus culpa in contrahendo (Senatsurteile vom 22. Februar 1984 – IVa ZR 63/82 – VersR 1984, 630 unter I 2; vom 8. Februar 1989 – IVa ZR 197/87 – VersR 1989, 465 unter II 3, vorangehend OLG Hamm VersR 1988, 458; vom 18. September 1991 – IV ZR 189/90 – VersR 1991, 1404 unter 2 b; OLG Saarbrücken VersR 1997, 863). Anderenfalls würde die ausgewogene Entscheidung des Gesetzgebers zur Sanktionierung der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten bei Anbahnung eines Versicherungsvertrages verfälscht und unterlaufen (Senatsurteil vom 22. Februar 1984 aaO).
Schadensersatzanspruch des Versicherers nur bei unerlaubten Handlungen des Versicherungsnehmers außerhalb Gefahr erheblicher Umstände
Nur dort, wo die Regelungen der §§ 16 ff. nicht eingreifen, etwa bei Täuschungen über andere als gefahrerhebliche Umstände, oder wo sie andere geschützte Interessen des Versicherers nicht abschließend behandeln, kommt ein über die genannten Sanktionen hinausgehendes Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers in Betracht. Das kann der Fall sein bei Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen, insbesondere bei den Tatbeständen der §§ 826, 823 Abs. 2 BGB, die neben den §§ 16 ff. VVG anzuwenden sind (BGH, Urteile vom 8. Februar 1989 aaO unter II 3; vom 22. Februar 1984 aaO; vom 18. September 1991 aaO).
Nach diesen Grundsätzen kam hier ein Schadensersatzanspruch des Versicherers aus culpa in contrahendo nicht in Betracht. Gleichviel, ob man dem Ehemann der Klägerin anlastet, er habe der Beklagten bei Beantragung der Gebäudeversicherung den beim Vorversicherer gemeldeten Wasserschaden verschwiegen, oder er vor Ausstellung der Gebäudeversicherungspolice nicht offen gelegt, dass er denselben Schaden der Beklagten zur Regulierung angezeigt habe, handelt es sich um gefahrerhebliche Umstände, die der Regelung der §§ 16 ff. VVG unterfallen.
Allein die Feststellung, der vom Vorversicherer regulierte Wasserschaden sei identisch mit dem pflichtwidrig bei der Beklagten angezeigten, reicht für die Begründung eines deliktischen Schadensersatzanspruches in Bezug auf den Abschluss beider Versicherungsverträge nicht aus. Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht festgestellt, die Klägerin oder ihr Ehemann hätten die Beklagte zum Abschluss der Versicherungsverträge bereits in der vorgefassten Absicht veranlasst, die Verträge für betrügerische Schadensmeldungen zu nutzen oder künftig Versicherungsfälle vorsätzlich herbeizuführen (vgl. dazu Senatsurteil vom 8. Februar 1989 aaO). Das lässt sich auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe weder für den im Februar 1997 abgeschlossenen Gebäudeversicherungsvertrag, erst recht nicht für den erst im August 1998 abgeschlossenen Hausratversicherungsvertrag mit ausreichender Sicherheit entnehmen.
Fazit
dem Versicherungsnehmer kommt ein schlechtes Gedächtnis bei der Angabe bzw. Nichtangabe Gefahr erheblicher Umstände in der Regel nicht zugute, wenn sich nachträglich die objektive Unwahrheit oder Unvollständigkeit seine Angaben herausstellt. Allerdings zeigt die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, dass der Versicherer aus der Obliegenheitsverletzung konkrete Konsequenzen für den Versicherungsvertrag ziehen muss. Er muss entweder die Anfechtung des Vertrages erklären oder Rücktritt bzw. Kündigung. Hierfür gelten nach dem Gesetz auch Fristen. Die Anfechtung muss allerspätestens innerhalb eines Jahres seit Kenntnis von der vermeintlichen arglistigen Täuschung erklärt werden, Rücktritt und Kündigung müssen sogar innerhalb eines Monates ausgesprochen werden. Werden diese Fristen versäumt, bleibt selbst die vorsätzliche arglistige Täuschung in den meisten Fällen folgenlos. Zu beachten ist, dass nach dem Gesetz dies allerdings nur für die so genannten vorvertraglichen Aufklärungsobliegenheiten gilt, nicht jedoch für vorsätzliche Falschangaben nach Eintritt des Versicherungsfalles. An dieser Rechtslage hat sich auch durch die Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahre 2009 nichts geändert.