Die Insolvenzanfechtung, das unbekannte Recht des Insolvenzverwalters

Oft ist die Enttäuschung groß, wenn der Gläubiger, oftmals mit anwaltlicher Hilfe, einen Titel gegen den Schuldner erfolgreich erwirkt hat, aber das gewünschte wirtschaftliche Ergebnis auf sich warten lässt. In vielen Fällen ist ein aufwändiges Klageverfahren, möglicherweise durch mehrere Instanzen, vorausgegangen. Die Enttäuschung ergibt sich daraus, dass der Schuldner noch vor dem ersten Zwangsvollstreckungsversuch aus dem Titel erfolgreich Insolvenzantrag gestellt hat und der Gläubiger sich dann in dem Insolvenzverfahren verstrickt. Die größte Überraschung hierbei ist die in der Praxis nur wenig bekannte Insolvenz-Anfechtung. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick.

Die Insolvenzanfechtung

Auch ohne einen gerichtlichen Titel und ohne Zwangsvollstreckung kann die Insolvenz des Schuldners sehr unerfreuliche Folgen haben und zwar selbst dann, wenn der Gläubiger bereits Zahlungen des Schuldners erhalten hat. Ursache hierfür sind die vielfältigen so genannten Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters. Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung berechtigt eine Zahlung des insolventen Schuldners zur Anfechtung dieser Zahlung, wenn sie drei Monate vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde. Die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter hat zur Folge, dass der Empfänger der Zahlung sämtliche Gelder zurückerstatten muss. Zwar ist weitere Voraussetzung der erfolgreichen Anfechtung, dass der Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder dem Insolvenzantrag Kenntnis gehabt hat. In der Praxis wird diese Kenntnis aber oft vorliegen, denn Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners in der Endphase vor der Insolvenz sind auch den Gläubigern vielfach irgendwann nicht mehr geheim zu halten.

Anfechtung wegen inkongruenter Deckung

Ein weiterer Anwendungsfall der Insolvenzanfechtung ist § 131 Insolvenzordnung, die sogenannte inkongruente Deckung. Die hier einschlägigen Fallkonstellationen sind umfangreich. So sind beispielsweise jegliche Leistungen, die der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung aus einem Titel erhalten hat, ausnahmslos inkongruent und damit der Anfechtung unterworfen. Inkongruente Deckung meint, dass in der Endphase vor der Insolvenz nicht einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigt, d.h. ihre Forderungen inkongruent gedeckt, werden sollen. Die Anfechtungstatbestände sind die Hauptwaffen des Insolvenzverwalters, um eine Gläubigerbenachteiligung zu verhindern. Hier gilt das alte Motto: was des einen Freud, das ist des anderen Leid. Der bevorzugt befriedigte Gläubiger hat seinen Konkurrenten Haftungsmasse des Schuldners entzogen. Derartige Vorgänge in der so genannten Krise, die nach dem Verständnis des Gesetzgebers drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrages einsetzt, sollen vollständig unter die Kontrolle des Insolvenzverwalters gelangen, dessen oberste Pflicht es ist, alle Gläubiger möglichst umfassend und möglichst gleichmäßig zu befriedigen. Die Anfechtung wegen inkongruenter Deckung infolge von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in der Krise wird begleitet durch den Regelungsmechanismus der Rückschlagsperre des § 88 Insolvenzordnung. Danach tritt in dem kurzen Zeitraum von einem Monat vor dem Insolvenzantrag die Unwirksamkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen automatisch ein, ohne dass es der Anfechtung bedarf.

Bereits die Zahlung an einen Gläubiger nach Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist nach herrschender Meinung anfechtbar wegen Gläubigerbenachteiligung (also Inkongruenz), Urteil des Bundesgerichtshofs NJW Rechtsprechungs Report 2004, Seite 1201.

Ob die bloße Zustellung des Titels an den Schuldner bereits die Drohung mit der Zwangsvollstreckung bedeutet, weil die Zustellung des Titels nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung die erste Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung ist und damit diese einleitet, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Hier kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an.

Auch bei der Anfechtung wegen inkongruenter Deckung muss als weitere Voraussetzung alternativ die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegen oder aber die Kenntnis des Gläubigers von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners. Da im gerichtlichen Erkenntnisverfahren für derartige so genannte innere Tatsachen von den äußeren Tatsachen auf die innere Vorstellung geschlossen wird, wird die entsprechende Kenntnis des Gläubigers vielfach vorliegen, da für eine entsprechende Feststellung bereits Indizien ausreichen. Die Inkongruenz der Leistung an sich kann als Indiz je nach Einzelfall schon genügen.

Die Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 Insolvenzordnung

Der Insolvenzverwalter kann im Extremfall der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung sogar bis zehn Jahre vor Stellung des Insolvenzantrages Zahlungen des Schuldners durch Anfechtung zurückholen. Der erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners wird wie erwähnt regelmäßig aus so genannten äußeren Tatsachen geschlossen. So wird eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht regelmäßig angenommen, wenn die Vermögensmasse des Schuldners ohne entsprechende Gegenleistung durch die Zahlung verkürzt wird und der Schuldner dies weiß. Der BGH spricht hier regelmäßig von der Indizwirkung der inkongruente Leistung. Vergleiche Bundesgerichtshof ZIP 2009, Seite 1434) 1435).

Die Beratungspflicht des Rechtsanwaltes

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Rahmen der berufsrechtlichen Haftung muss der Rechtsanwalt grundsätzlich auch die wirtschaftlichen Interessen des Mandanten berücksichtigen. Erhält er den Auftrag, eine Forderung beizutreiben, muss er die reale Beitreibbarkeit im Blick haben. Hat er Kenntnis von einer Insolvenz des Schuldners, muss er den Mandanten über die rechtlichen Folgen eines Insolvenzverfahrens aufklären. Der Hinweis darauf, dass die Forderung mit großer Wahrscheinlichkeit nur noch zu einem Bruchteil zu befriedigen sein wird, ist hier nur ein Aspekt. Für die Insolvenzanfechtung hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass der Anwalt konkret über insolvenzrechtliche Anfechtungsmöglichkeiten aufklären muss, wenn sein Mandant in der sogenannten Krise den Auftrag zur Beitreibung einer Forderung erteilt und es hierbei zu Verhandlungen mit dem Schuldner kommt, so der Bundesgerichtshof in Wertpapier Mitteilungen 2004, Seite 481 (482).

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