Zum 1. Januar 2008 wurde das Unterhaltsrecht grundlegend reformiert. Insbesondere bei dem Recht des Ehegattenunterhalts hat es tiefgreifende Veränderungen gegeben. Mittlerweile liegt auch bereits höchstrichterliche Rechsprechung vor, welche die neuen Regelungen für die Praxis konkretisiert. Dies sollte Anlass sein, jede bestehende Unterhaltsvereinbarung daraufhin zu überprüfen, ob eine Abänderung vor Gericht beantragt werden sollte.
A. Der neue Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung
Seit Januar 2008 bestimmt § 1569 BGB, dass es nach der Scheidung jedem Ehegatten obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur wenn er dazu außer Stande ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt.
Dies sind die Grundsätze. Ein Unterhaltsanspruch kommt insbesondere dann in Betracht, wenn wegen der Betreuung eines oder mehrerer Kinder so genannte ehebedingte Nachteile bestehen, die auch nach Trennung und Scheidung fortwirken. Ebenso kann es liegen, wenn einer der Ehegatten einverständlich während der Ehe seine frühere Erwerbstätigkeit über längere Zeit aufgegeben hat und nach der Trennung nunmehr Schwierigkeiten hat, in seinen früheren Beruf zurückzukehren. Die grundsätzliche Überlegung ist: Über welches Einkommen würde der Unterhalt fordern der Ehegatte heute voraussichtlich verfügen, wenn die Ehegatten nie geheiratet hätten? Wenn die tatsächliche aktuelle Situation hiervon abweicht, ist ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt beziehungsweise nachehelichen Unterhalt nach wie vor denkbar.
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt, § 1361 BGB, und der nacheheliche Unterhaltsanspruch sind jeweils unterschiedliche Ansprüche. Der nacheheliche Unterhaltsanspruch kennt verschiedene Anspruchsgrundlagen, nämlich
– den Unterhalt während der Betreuung eines oder mehrerer gemeinschaftlicher Kinder (§ 1570 BGB),
– den Unterhalt wegen Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit aufgrund zu hohen Alters im Zeitpunkt der Scheidung beziehungsweise bei Beendigung der Kindesbetreuung (§ 1571 BGB),
– den Unterhalt wegen Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit wegen Krankheit im Zeitpunkt der Scheidung, bei Beendigung der Kindererziehung oder nach Ende der Umschulung (§ 1572 BGB,
– den Unterhalt wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit trotz hinreichender eigener Bemühungen (§ 1573 Abs. 1 BGB),
– den Unterhalt zur Aufstockung des eigenen Einkommens, wenn dieses zur Deckung des eigenen angemessenen Lebensunterhaltes nicht ausreicht (§ 1573 Abs. 2 BGB),
– den Unterhalt zur Aufstockung des eigenen Einkommens, wenn die ehelichen Lebensverhältnisse über das nachehelich aus der ausschließlich eigenen Erwerbstätigkeit sich ergebende Niveau hinausgingen, so genannter Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB),
– den Unterhalt zur Finanzierung einer erforderlichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, wenn der geschiedene Ehegatte seine Ausbildung während der Ehe nicht abschließen konnte oder zum Ausgleich sonstiger ehebedingter Nachteile im beruflichen Fortkommen (Ausbildungsunterhalt, § 1575 BGB)
Keine Anspruchsgrundlage im engeren Sinne sind in der Krankenvorsorgeunterhalt und Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 III BGB). Diese Tatbestände rechtfertigen vielmehr unter der Voraussetzung, dass prinzipiell nach den obigen Grundlagen ein Unterhaltsanspruch besteht, einem weiteren Aufschlag, damit der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte nach Ausscheiden aus der ehelichen Solidargemeinschaft hinsichtlich Krankenversicherung und Rentenversicherung für eine ausreichende Vorsorge für Krankheit und Alter selbst sorgen kann. Im Falle dessen Altersvorsorgeunterhalt ist stets der von amtswegen vorzunehmende Versorgungsausgleich das vorrangig
Trotz dieser unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen wird der nacheheliche Unterhaltsanspruch stets einheitlich berechnet, festgesetzt und von den Gerichten ausgeurteilt. Zum Teil überschneiden sich die Anspruchsvoraussetzungen auf nicht immer einfache Weise, so dass die rechtliche Beurteilung in konkreten Einzelfall stets der Beratung durch einen Rechtsanwalt bedarf.
B. Betreuung eines oder mehrerer minderjähriger Kinder
Das frühere starre Altersphasenmodell zur Erwerbsobliegenheit bei Vorhandensein von betreuungsbedürftigen Kindern ist nicht mehr aktuell. Nur solange mindestens ein Kind nicht das dritte Lebensjahr vollendet hat, gibt es auch zukünftig einen grundsätzlich vollen Unterhaltsanspruch nach dem Halbteilungsgrundsatz des kinderbetreuenden Elternteils.
Ab Beginn des vierten Lebensjahres (also ab dem dritten Geburtstag) erfolgt eine Einzelfallprüfung. Prinzipiell ist ab diesem Alter ein stufenweiser Übergang in die volle Erwerbstätigkeit dem betreuenden Elternteil zumutbar, wenn vor Ort ausreichende Betreuungsmöglichkeiten durch Verwandte oder staatliche Einrichtungen bestehen, (vgl. Bundesgerichtshof FamRZ 2008, S. 1739).
In diesem Zusammenhang kommt es auf Folgendes an:
– Arbeitszeiten
– Arbeitsweg
– Größe des Haushalts
– Zuwendungsbedarf der Kinder
– Hobbies der Kinder
– Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtung
– etwaige Krankheiten oder besonderer Förderbedarf der Kinder
– in der Zeit des ehelichen Zusammenlebens bereits geübte Praxis
In der Regel wird ab einem Alter von rund 13 Jahren des jüngsten Kindes eine Vollzeittätigkeit zumutbar sein. Je nach Einzelfall kann dies aber auch schon deutlich früher gegeben sein. Das OlG Düsseldorf geht von einer Erwerbsobliegenheit bei zwei Kindern im Grundschulalter von 20 Stunden/Woche aus, OLG Düsseldorf NJW 2008, S. 2658., während das OLG Köln in praktisch identischer Konstellation eine Vollzeiterwerbsobliegenheit annimmt, OLG Köln NJW 2008, S. 2659. Das Kammergericht stellt auf das Aller des jüngsten Kindes ab und hält es mit dem Kindeswohl für nicht vereinbar, in den ersten Grundschuljahren des jüngsten Kindes die Mutter trotz objektiv vorhandener Ganztags-Betreuungsmöglichkeiten auf eine Vollzeittätigkeit zu verweisen, KG FamRZ 2009, S. 336 und 981.
Bei Vorhandensein mehrerer Kinder muss die resultierende Mehrbelastung berücksichtigt werden.
Die Rechtsprechung versucht, die Etablierung fester Regeln derzeit noch zu verhindern. Denn der Bundesgerichtshof hat erst jüngst wieder klargestellt, dass ein neues Altersphasenmodell wie nach dem früheren Recht gerade nicht gelten und auch nicht durch die Hintertür wieder etabliert werden soll (Bundesgerichtshof FamRZ 2009, Seite 1124).
C. Weitere ehebedingte Nachteile über die Kinderbetreuungslasten hinaus
Die sogenannten ehebedingten NAchteile sind insbesondere gegen das allgemeine Arbeitsplatzrisiko abzugrenzen, für das zumindest in der nachehelichen Phase der geschiedene Ehegatte nicht mehr einstehen muss, wenn keine weiteren Unterhaltsgründe hinzukommen. Ehebedingte Nachteile können sich aber daraus ergeben, dass die Krankenversicherung des geschiedenen Ehegatten nicht mehr gesetzlich, sondern durch eine kostspielige private Versicherung aufgrund der Scheidung sichergestellt werden muss. Diese Mehrkosten muss der geschiedene Ehegatte aus seinem eigenen Einkommen bestreiten. Kommt er seiner Erwerbsobliegenheit grundsätzlich nach, wird sein Einkommen hierdurch entsprechend gemindert, ohne dass dies ihm persönlich angelastet werden könnte. Vielmehr handelt es sich dann um eine für ihn nachteilige Folge der Auflösung der Ehe, während derer er über den Ehegatten kostenlos mitversichert war. Die Kosten der privaten Krankenversicherung lösen daher einen zusätzlichen Unterhaltsanspruch aus, Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18.6.2009, Aktenzeichen 2 UF 6/09.
Reform der Reform seit März 2013: Neuer § 1578b BGB
Die Ehedauer spielt seit März 2013 wieder eine eigene Rolle bei der Bemessung von Höhe und Dauer des nachehelichen Unterhaltsanspruchs. Der Kern der Reform von 2008, die Betonung der nachehelichen Eigenverantwortlichkeit, bleibt aber unangetastet, sodass auch bei langen Ehen über 15 Jahre eine Befristung des UNterhaltsanspruchs die Regel bleiben wird. Die Neuregelung des § 1587 b BGB ist ein Abänderungsgrund für bestehende UNterhaltsvereinbarungen im Sinne des FamFG.
D. Die einzelnen Schritte der Unterhaltsberechnung
I. Einkommensermittlung
Zunächst muss das für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende regelmäßige Einkommen des Ehemannes ermittelt werden. Die Einkommensermittlung ist bei beiden Ehegatten grundsätzlich gleich.
Auszugehen ist vom durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen inkl Zulagen, 13. Gehalt, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Bei Selbständigen ist der durchschnittliche Jahresüberschuss der letzten drei Jahre anzusetzen.
Auch Einkünfte aus Schwarzarbeit sind Einkommen, allerdings um Steuern und Sozialversicheurngsbeiträge zu bereinigen (Näheres hierzu in dem Beitrag → Einkommensermittlung bei Schwarzarbeit).
Anerkannte Abzugsposten
Abzuziehen sind sogenannte Vorsorgeaufwendungen für Krankheit und Alter neben der gesetzlichen Versicherung bis zu einer Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens. Hierunter fallen insbesondere private Lebensversicherungen, Zusatzkrankenversicherungen oder auch Rentensparpläne wie die Riesterförderverträge.
Anerkannt werden auch berufsbedingte Aufwendungen als Abzugsposten. Diese sind entweder im einzelnen konkret nachzuweisen (etwa Kosten für Fahrten ins Büro, für Dienstreisen etc.) oder als Pauschale geltend zu machen, dann in Höhe von 5% der Nettoeinkommens, höchstens aber 150 € monatlich.
Bei Vorhandenseins eines Dienstwagens ist dessen monatlicher Wert zu ermitteln, wobei Fahrzeugtyp einerseits und der tatsächliche Anteil der Privatfahrten andererseits die maßgebliche Rolle spielen. Der Dienstwagen ist als geldwerter Vorteil bedarfsprägend und wird nicht nach steuerlichen Grundsätzen (1 % des Neupreises pro Monat), sondern frei nach den real ersparten Aufwendungen bewertet. Die Rechtsprechung variiert hier zwischen 150,- € monatlich (OLG München FamRZ 1990, S. 1350) und 250,- € (OLG Hamm, FamRZ 1999, S. 513). Bei wirtschaftlich beengten Verhältnissen kann der einzusetzende Betrag bis auf die Kosten einer ohne Auto erforderlichen Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel herabgesetzt werden (Monatskarte), vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 2.8.2006 Az. 16 WF 80/06.
Bei tatsächlicher steuerlicher Berücksichtigung durch Aufschlag auf das Bruttogehalt gemäß Gehaltsabrechnung ist allerdings nach neuester REchtsprechung des OLG Hamm der einkommensgleiche Wert des Dienstwagens in der Regel mit dem nach Steuerrecht zu
veranschlagenden Wert (Einprozentregelung) zu bemessen (vgl. Senat NJW-RR 2009, 294, 297). Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung eines Nutzungsvorteils kommt ohne Vorliegen besonderer Umstände nicht in Betracht.
Die Beiträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind abziehbar.
Die Kosten des Umgangs mit den Kindern sind in der Regel nicht abziehbar. Ausnahmsweise können sie abziehbar sein, wenn das Kind mit dem betreuenden Elternteil nach der Trennung ohne oder sogar gegen den Willen des Unterhaltsverpflichteten an einen ferneren Ort weggezogen sind.
II. Bedarf
Danach ist der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten zu ermitteln. Hierfür sind die ehelichen Lebensverhältnisse maßgeblich. Hierbei ist grundsätzlich von dem gemeinsamen regelmäßigen Einkommen beider Ehegatten vor der Trennung auszugehen. Geldwerte Vorteile wie etwa das kostenlose Wohnen im eigenen Haus sind hinzuzurechnen ebenso wie regelmäßige Kapitaleinkünfte und dergleichen. Einkommensveränderungen nach der Trennung können dann den Unterhaltsanspruch auch bei der Höhe des Bedarfes beeinflussen, wenn sie die Verwirklichung eines typischen Risikos oder einer Chance darstellen, welche bereits der Sache nach in der Zeit des ehelichen Zusammenlebens angelegt war.
Ermittlung der Steuerbelastung
Für die anzusetzende steuerliche Belastung ist nicht diejenige während intakter Ehe, sondern die bei Geltendmachung bzw. Entscheidung über den Unterhaltsanspruch geltende maßgeblich. Insoweit gelten als für die ehelichen Lebensverhältnisse prägend nicht unbedingt die Steuertarife und – klassen (III-V oder IV-IV) für zusammenlebende Ehegatten, sondern im auf die Trennung folgenden Jahr erfolgt die Berechnung auch für die Bedarfsermittlung bereits nach der dann aktuellen Steuerklasse I bzw. II (BGH FamRZ 1990, S. 499 (502). Dies gilt selbst für durch spätere Wiederverheiratung erzielte neue Steuervorteile aufgrund des dann wieder möglichen Ehegattensplittings, BGH FamRZ 1990, S. 981.
Wohnvorteil
Der Wohnvorteil ist zu Gunsten des unterhaltsberechtigten Ehegatten, welcher in der in seinem Alleineigentum stehenden Immobilie nach der Trennung verblieben ist, nur bis zur Höhe einer angemessenen Ersatzwohnung anzusetzen, nach Stellung des Scheidungsantrages bzw. nach endgültiger Vermögensauseinandersetzung mit dem vollen Wohnwert (BGH FamRZ 2008, S. 963). Nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ist stets zu prüfen, ob nicht bereits die nachehelichen Bewertungsgrundsätze für das mietfreie Wohnen im gemeinschaftlichen Haus anzulegen sind, insbesondere durch Ansatz des angemessenen Wohnwertes, Beschränkung der Berücksichtigung von Hauslasten maximal auf den Wohnwert und Einsetzen der Obliegenheit zur wirtschaftlich vernünftigen Verwertung des Hauses, BGH a.a.O.
Bei Miteigentum beider Ehegatten richtet sich die Berücksichtigung des Wohnvorteils nach § 1361b BGB. Hiernach gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie oben dargestellt mit der Modifikation, dass der Wohnvorteil nur zur Hälfte angesetzt wird. Nach OLG Bremen OLGR 2005, s. 315 ist nicht mehr der auf eine Ersatzwohnung begrenzte Mietwert, sondern bereits der volle Mietwert (bzw., hiervon die Hälfte) bereits nach Ablauf des Trennungsjahres und nicht erst mit Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages anzusetzen. Eine Billigkeitskorrektur kann bei einem Auseinanderfallen von (hohem) objektivem Mietwert und (eingeschränkten) regelmäßigen Einkünften der Ehegatten angezeigt sein, sog. „aufgedrängter Wohnwert“, BGH NJW 2000, S. 284.
Der Wohnvorteil ist nicht zu kürzen, nur weil auch die minderjährigen Kinder mit im Haushalt wohnen. Der Wohnvorteil der Kinder führt also nicht zu einer Anrechnung auf deren Barunterhaltsansprüche, sondern wird grundsätzlich dem Wohnvorteil des betreuenden Ehegatten zugerechnet (BGH FamRZ 1989, S. 1160, 1992, S. 423). Anderes kann aber gelten (dann ausnahmsweise Kürzung des Kindesunterhalts), wenn einvernehmlich der betreuende Elternteil kostenfrei mit den Kindern im Haus/Wohnung wohnt und der Unterhaltspflichtige sämtliche Hausschulden trägt (OLG Düsseldorf FamRZ 1994, S. 1049 (1053). Ähnliches kann bei allgemein wirtschaftlich beengten Verhältnissen (sog. Mangelfall) gelten. Der Wohnvorteil der Kinder schlägt sich dessen ungeachtet rechnerisch regelmäßig beim Ehegattenunterhalt derart nieder, dass bei der Bemessung des Wohnvorteils des Ehegatten die Begrenzung auf eine angemessene Ersatzwohnung unter Beachtung des zusätzlichen Wohnbedarfs der Kinder erfolgt. Eine angemessene Ersatzwohnung bei zwei zu betreuenden minderjährigen Kindern ist dann keine 2-Zimmer- sondern eine 4-Zimmer-Wohnung mit entsprechender höherer Miete. Die Rechtsprechung hält dies für angemessen, weil in dem Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle ein Wohnkostenanteil kalkulatorisch mit enthalten ist.
Ggf. ist der Wohnvorteil aus Billigkeitsgründen zu kürzen, etwa dann, wenn er sonst deutlich höher ausfiele als die realen Wohnkosten des unterhaltspflichtigen Ehegatten oder wenn ohne Kürzung sich ein Unterhaltsanspruch von unter 332,- € ergäbe, ohne dass für sonstigen Lebensunterhalt ergänzend durch eigene Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten gesorgt wäre (OLG Köln FamRZ 2001, S. 97).
Zum Wohnvorteil gehören nicht die verbrauchsabhängigen Kosten, die unabhängig von der Grundlage des ständigen Aufenthalts in den Räumen (Eigentum, Miete, Wohnrecht o.ä.) stets vom Bewohner selbst getragen werden. Hierzu zählen v.a. Strom, Telefon und Heizung. Wohnwertmindernd hingegen sind nach neuer Rechtsprechung des BGH (NJW 2009, 2523 (2524) nur diejenigen Kosten, die der Bewohner tragen muss, obwohl sie nach mietrechtlichen Vorschriften (insbes. Betriebskostenverordnung) einem Mieter nicht auferlegt werden können. Grundsteuer und Gebäudeversicherung mindern daher den anrechenbaren Wohnvorteil anders als nach früherer jahrzehntelanger Rechtsprechung nicht mehr.
Surrogattheorie als Modifikation des Einsatzzeitpunktes und Haushaltsführung
Zu beachten ist ggf auch die sogenannte Surrogattheorie des BGH (nach der Grundsatzentscheidung BGH NJW 2001, S. 2254). Hiernach können beispielsweise nacheheliche Erwerbseinkünfte des in der Ehe nur haushaltsführenden Ehegatten zur bedarfsrelevanten Bewertung der Haushaltsführung mit dem dann mit dieser Arbeitskraft später erzielten Erwerbseinkommen führen. Oder aber nach dem Verkauf des Eigenheims erzielte Kapitaleinkünfte machen nachträglich das Eigenheim bedarfsprägend, obwohl während der Ehezeit der Wohnwert die monatlichen Zinszahlungen nicht überstieg. Ähnliches wurde zwischenzeitlich für nacheheliche Renteneinkünfte, Zugewinnausgleichseinkünfte und mittlerweile auch für fiktive Erwerbsarbeit bei Bestehen einer Erwerbsobliegenheit entschieden (BGH FamRZ 2004, S. 254(256)).
Regelmäßige und in der ehelichen Lebensführung angelegte Verbindlichkeiten, beispielsweise solche aus einem Kredit finanzierten Hauskauf, prägen ebenfalls die ehelichen Lebensverhältnisse und werden deshalb von dem ermittelten Einkommen abgezogen. Tilgungsanteile sind hier allerdings herauszurechnen, da sie der Vermögensbildung dienen. Sie sind daher positiv und nicht negativ prägend. Allerdings ist anzumerken, dass der BGH hier eine inkonsequente Rechtsprechung aus 1998 (BGH FamRZ 1998, S. 87) bis heute nicht korrigiert hat. Ohne überzeugende Begründung geht der BGH davon aus, dass die Tilgungsanteile nicht herauszurechnen sind, wenn beide Ehegatten das Haus zu Miteigentum halten, sondern nur dann, wenn ein Ehegatte Alleineigentümer ist. Es wird darauf abgestellt, ob die mit der Tilgung verbundene Vermögensbildung beiden Ehegatten zumindest über den Zugewinnausgleich zugute kommt (dann Berücksichtigung als Abzugsposten) oder nicht (dann jedenfalls keine Berücksichtigung zu Lasten des nicht an der Vermögensbildung partizipierenden Ehegatten, etwa bei Alleineigentum des Unterhaltsverpflichteten und nach Vereinbarung der Gütertrennung bzw. nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags als Stichtag für den Zugewinnausgleich, vgl.BGH FamRZ 2008, S. 963, abrufbar unter BGH Urteil des XII. Zivilsenats vom 5.3.2008 – XII ZR 22/06.
Abgezogen wird auch der Unterhaltsbedarf der gemeinsamen minderjährigen Kinder und zwar bei dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Ehegatten.
Kinderbetreuungskosten sind keine berufsbedingten Mehraufwendungen, die das ansatzfähige Nettoeinkommen des gleichzeitig erwerbstätigen und kinderbetreuenden Elternteils reduzieren, sondern nach der Grundsatzentscheidung des BGH NJW 2009, S. 1816 lösen sie grundsätzlich einen Mehrbedarf aus, der – dogmatisch inkonsequent – einerseits der Ebene des Kindesunterhalts zugeordnet wird, indem der BGH ausdrücklich zur Begründung darauf abstellt, dass die Tabellenbeträge für den Kindesunterhalt diese Betreuungskosten nicht mit abdecken. Auf der anderen Seite ist nach BGH dieser Mehrbedarf von beiden Elternteilen anteilig nach dem Verhältnis ihrer Erwerbseinkünfte und damit letztlich wie ehebedingte Verbindlichkeiten im Rahmen des Ehegattenunterhalts zu tragen und nicht ausschließlich von dem barunterhaltspflichtigen Elternteil, wie es an und für sich der Systematik des Minderjährigenunterhalts entspricht.
Wiederkehr des Betreuungsbonus zur Korrektur unangemessener Ergebnisse
Soweit die Kinderbetreuungskosten Abzugsposten beim Einkommen des betreuenden Elternteils sind und rechnerisch es auf diese Weise zu keiner angemessenen Beteiligung des nicht betreuenden Elternteils an den kindbezogenen Betreuungslasten kommt, ist regelmäßig auch nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien über die Zusprechung eines sogenannten Betreuungsbonus nachzudenken. Dieser wird dem betreuenden Elternteil als anrechnungsfreier Anteil am eigenen Einkommen gutgeschrieben mit der Folge, dass sich rechnerisch ein Ehegattenunterhaltsanspruch bzw. ein Aufschlag auf den Ehegattenunterhaltsanspruch ergibt. Da allerdings nach neuem Unterhaltsrecht an und für sich die Kinderbetreuung gerade kein Äquivalent für Erwerbsarbeit mehr sein soll, ist der Betreuungsbonus auf den erwähnten Ausnahmefall zu beschränken und generell zu begrenzen auf das Erreichen des 14. Lebensjahres des jüngsten Kindes.
Verpflegungsanteile gehören nicht zum Mehrbedarf, BGH NJW a.a.O., sondern sind aus dem Tabellenunterhalt zu zahlen. Kaum handhabbar ist schließlich die Anforderung des BGH, dass diese anteilige Kostenübernahme nur gilt, wenn bei der Entschließung zur Fremdbetreuung in Kindergarten, Hort oder Kita bzw. einer privaten Betreuungseinrichtung „erzieherische Gesichtspunkte“ im Vordergrund stehen. Der BGH lässt damit unklar, ob diese Rechtsprechung nur für diejenigen fremdbetreuten Kinder gilt, deren Mutter überhaupt nicht erwerbstätig ist. Denn in diesen Fällen dürfte stets die Fremdbetreuung ebenso sehr der Ermöglichung einer Erwerbstätigkeit der Mutter dienen, was nach der bisherigen Rechtsprechung dann dazu führte, dass diese Kosten im Rahmen des Ehegattenunterhalts abzugsfähige berufsbedingte Aufwendungen beim ansatzfähigen Einkommen des betreuenden und zugleich erwerbstätigen Elternteil sind (OLG Frankfurt/Main FamRZ 2007, S. 1353, BGH NJW 2001, S. 973).
Grundsätzlich kommt auch stets die zusätzliche Zusprechung eines sogenannten trennungsbedingten Mehrbedarfs in Betracht. Soweit dieser allerdings die trennungsbedingten Mehrkosten für das Wohnen in jetzt zwei statt früher einer Wohnung betrifft, wird dieser in aller Regel bereits ausreichend in der Herabsetzung des Wohnvorteils auf die Miete für eine kleinere Ersatzwohnung berücksichtigt. Darüber hinausgehend wird ein trennungsbedingter Mehrbedarf aus Billigkeitsgründen deshalb in aller Regel nur dann zugesprochen, wenn weitere an und für sich nicht in die Unterhaltsberechnung fallende (sog. Nichtprägende) Einkunftsquellen vorhanden sind.
Der Bedarf entspricht grundsätzlich der Hälfte der so ermittelten Einkünfte. Ist der unterhaltspflichtige Ehegatte erwerbstätig, erhält er einen so genannten Erwerbstätigenbonus von einem Siebtel. Dieser Bonus wird bei Vorhandensein unterhaltsberechtigter Kinder erst nach Vorwegabzug des Kindesunterhaltes ermittelt.
III. Ermittlung eigener Bedarfsdeckung des Berechtigten
Von dem so ermittelten Bedarf wird das eigene Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten abgezogen, weil er hierdurch seinen Bedarf selbst decken kann. Aber auch ihm kommt ein Erwerbstätigenbonus von einem Siebtel zugute, so dass in Höhe dieses Siebtels der Abzug unterbleibt.
Das kostenlose Wohnen in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus gilt in Höhe einer ortsüblichen Nettomiete als bedarfsmindernd, in Höhe einer vergleichbaren Nettomiete reduziert sich also der Bedarf.
Bei erheblichen eigenem Vermögen des unterhaltsberechtigten Ehegatten kann es ihm je nach Einzelfall ihm zugemutet werden, seinen Bedarf zusätzlich mindestens teilweise durch Angriff des Vermögensstammes zu decken.
Weiterhin ist von dem Bedarf dann ein Abzug zu machen, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte eine Erwerbsobliegenheit hat und dieser nicht vollständig nachkommt. Der weitere Abzug erfolgt dann in Höhe des fiktiv erzielbaren Nettoeinkommens, wenn der Ehegatte in voller Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit entsprechend seiner Ausbildung und den Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt arbeiten würde.
An dieser Stelle greift die oben bereits beschriebene einschneidende Änderung durch die Unterhaltsrechtsreform 2008 ein. Auf die obigen Ausführungen zu den neuen Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung nach Trennung und Scheidung wird verwiesen.
IV. Angemessenheitskontrolle
Als Zwischenergebnis ergibt sich dann der verbleibende Restbedarf, den grundsätzlich der unterhaltsverpflichtete Ehegatte aus dem ihm zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen zu zahlen hat. Dieses Zwischenergebnis muss in bestimmten Fällen allerdings noch das korrigiert werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Unterhaltszahlung das eigene Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen gefährden würde. Darüber hinaus ist eine moderate Anpassung bereits dann vorzunehmen, wenn der sich aus der aktuellen Düsseldorfer Tabelle ergebende Selbstbehalt angegriffen wird. Hierbei wird noch unterschieden zwischen den angemessenen und notwendigen Selbstbehalt. In derartigen so genannten Mangelfällen ist die Deckungslücke auf alle Familienmitglieder gerecht zu verteilen. Seit der Unterhaltsrechtsreform 2008 haben hierbei die minderjährigen Kinder Vorrang vor dem unterhaltsberechtigten Ehegatten.
Unter dem Gesichtspunkt des Betreuungsbonus ist darüber hinaus ein Teil des eigenen Einkommens des betreuenden Elternteils dann im Rahmen der Angemessenheitskontrolle anrechnungsfrei, wenn ohne eine solche Korrektur ein Unterhaltsanspruch gar nicht oder nur unangemessen verkürzt mit der Folge einer krass ungleichgewichtigen Verteilung der kindbezogenen Lasten unter den Eheleuten bestünde. Einzelheiten hierzu wurden bereits weiter oben beschrieben.
Zubilligung von Übergangszeiten
In der Rechtsprechung bildet sich nach und nach die Tendenz heraus, eine Übergangszeit für die anspruchsberechtigten geschiedenen Ehegatten zu schaffen. Eine sofort mit Rechtskraft der Scheidung Auslaufen der Unterhaltsverpflichtungen, also die vollständige Ablehnung von nachehelichen Unterhalt lässt sich nur selten durchsetzen. Die Gerichte neigen dazu, zumindest in einer Übergangszeit von eins bis fünf Jahren, oft auch gestaffelt von zunächst vollem Unterhalt bis zum schließlichen vollständigen Auslaufen, einen nachehelichen Unterhaltsanspruch eingeschränkt zuzusprechen. Die häufigste Begründung geht dahin, dass der anspruchsberechtigte Ehegatte diese Übergangszeit benötigt, um sich auf die neue Situation der vollständigen wirtschaftlichen Eigenverantwortung einzustellen, vergleiche hierzu die Entscheidungen Oberlandesgericht Jena, Urteil vom 27.8.2009, Aktenzeichen 1 UF 123/09 sowie Oberlandesgericht Dresden, Beck RS 2009, 28877).
Besonderheiten bei Wiederverheiratung
Bei Wiederverheiratung sinkt der notwendige Eigenbedarf des mit dem neuen Ehepartner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebenden UNterhaltspflichtigen wegen der durch die gemeinsame Haushaltsführung eintretenden Ersparnisse um 20 %, OLG Celle, NJOZ 2010, S. 249.
F. Besonderheiten bei einzelnen Unterhaltstatbeständen
1. Allgemeines zum nachehelichen Unterhalt
Der Unterhaltsanspruch nach Rechtskraft der Scheidung (sog. nachehelicher Unterhalt) betont deutlich stärker als der Anspruch auf Trennungsunterhalt den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung. Auch wenn nach Ablauf des ersten Trennungsjahres die Rechtsprechung immer mehr dazu tendiert, beide Unterhaltstatbestände einander anzunähern, gibt es nach wie vor Unterschiede.
Verpflichtung zur Vermögensverwertung
Der bedeutendste Unterschied besteht in der Verpflichtung, nicht nur regelmäßiges Einkommen, sondern auch das Vermögen zur Bedarfsdeckung einzusetzen, § 1577 Abs. 3 BGB.
Die gilt allerdings nur mit der Einschränkung, dass die Vermögensverwertung wirtschaftlich sein muss und nicht gegen Treu und Glauben verstoßen darf. Eine die Verwertung ausschließende Unwirtschaftlichkeit ist beispielsweise anzunehmen, wenn der Bedürftige durch die Verwertung die Basis für eine langfristige, auch nur teilweise Sicherung seines Unterhalts aus eigenen Mitteln aufgeben müsste die (OLG München Familienrechts Zeitung 1994, Seite 1459). Gleiches gilt, wenn der zu erwartende Verkaufserlös in keinem angemessenen Verhältnis zum wahren Wert des Gegenstands steht. Bei Verwertung eines im Miteigentum beider geschiedener Ehegatten stehenden Hauses macht die Rechtsprechung oft die Einschränkung, dass die Verwertung des auf den Bedürftigen entfallenden Erlösanteils dann unzumutbar sein soll, wenn der andere geschiedene Ehegatte seinen eigenen Erlösanteil zur freien Verfügung behalten kann, BGH Familienrechts Zeitung 1985, Seite 354.
2. Unterhalt zur Wahrung des ehelichen Lebensstandards wegen fortbestehender ehebedingter Nachteile – der sogenannte „Aufstockungsunterhalt“
Auch nach der Unterhaltsrechtsreform stellt sich stets die Frage nach einem nachehelichen Aufstockungsunterhalt, wenn selbst bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit die Ehefrau den aus der Ehe gewohnten Lebensstandard nicht halten kann. Gemäß 1578 b BGB ist dieser Anspruch aber seit Januar 2008 zu beschränken bzw. zu befristen, je nach dem welche ehebedingten Nachteile bestehen geblieben sind und welche Ausgestaltung die eheliche Solidargemeinschaft hatte. Es spielen die Ehezeit und die innereheliche Rollenverteilung eine Rolle. Es gibt zwei Kontrollfragen: Welche Lebensstellung hätte mutmaßlich der unterhaltsberechtigte Ehegatte gehabt, wenn die Ehe nie geschlossen worden wäre? Inwiefern beruht der Lebensstandard des unterhaltsverpflichteten Ehegatten auch nach der Scheidung auf einer gemeinsamen Lebensleistung aus der Ehe?
In einer neuen Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen XII ZR 146/08) werden höchstrichterlich erste Maßstäbe für den Aufstockungsunterhalt und dessen Grenzen unter Geltung des neuen Unterhaltsrechts formuliert. Nach dieser neuen Rechtsprechung ist bei der stets erforderlichen Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder eine zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen (i.e. der bereits erwähnte ehebedingte Nachteil). Wenn solche ehebedingten Nachteile festgestellt werden, sprechen diese grundsätzlich gegen eine Herabsetzung oder auch eine Befristung des nachehelichen Unterhalts. Derartige ehebedingte Nachteile können sich nicht nur aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, sondern auch aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (vergleiche Bundestagsdrucksache 16/1830, Seite 18). Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfes bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Wenn der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte erzielt, die diesen angemessenen Lebensbedarf abdecken oder geht er einer Erwerbstätigkeit nach, die unter Berücksichtigung der bisherigen Ausbildung und beruflichen Laufbahn die Annahme rechtfertigt, dass er solche vollständig bedarfsdeckenden Einkünfte erzielen könnte, rechtfertigt dies in vielen Fällen den vollständigen Wegfall des nachehelichen Unterhalts nach einer Übergangszeit, die durch eine Befristung zu gewähren ist, Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2009, Aktenzeichen XII ZR 146/08. Erzielt der Unterhaltsberechtigte hingegen lediglich Einkünfte, die den nach dem obigen Maßstab ermittelten angemessenen Lebensbedarf nicht decken und auch voraussichtlich in Zukunft nicht decken könnten, scheidet eine Befristung des Unterhaltsanspruch regelmäßig aus. Allerdings kann dann der Unterhalt nach einer Übergangszeit auf den verbleibenden ehebedingten Nachteil herabgesetzt werden. Dieser besteht wirtschaftlich regelmäßig aus der Differenz des angemessenen Lebensbedarfes (siehe oben) mit dem erzielten beziehungsweise erzielbaren eigenen Einkommen in der nachehelichen Zeit, Bundesgerichtshofs a.a.O. Wenn die für eine Begrenzung beziehungsweise Befristung ausschlaggebenden Umstände bereits mit einer hinreichenden Zuverlässigkeit zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung voraussehbar sind, muss das Urteil eine solche Begrenzung und Befristung bereits enthalten, sie ist dann nicht erst in einem späteren Abänderungsverfahren auszusprechen.
In vielen Fällen entscheidet im Streitfall letztlich die Beweislast. Grundsätzlich trifft für sämtliche Umstände, die eine Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts rechtfertigen, der Unterhaltsverpflichtete die Beweislast. Er muss also durch hinreichende Tatsachen schlüssig vortragen, dass trotz nicht ausreichender Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten keine ehebedingten Nachteile hierfür ursächlich geworden sind. Dieser Beweislast kann der Unterhaltspflichtige allerdings schon dann genügen, wenn er plausibel vorträgt, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte eine vollzeitige Erwerbstätigkeit in dem vor der Eher ausgeübten Beruf ohne weiteres zumutbar ist und insbesondere auch möglich. In einem derartigen Fall muss dann der Unterhaltsberechtigte Umstände darlegen und beweisen, die trotzdem gegen eine Unterhaltsbegrenzung sprechen. Ihn trifft wiederum die Darlegungslast dafür, dass ehebedingte Nachteile vorliegen, etwa weil mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehezeit Einbußen im beruflichen Fortkommen verbunden waren, wenn die Einkünfte aus seiner aktuellen Erwerbstätigkeit tatsächlich die Einkünfte aus der ehebedingt aufgegebenen Erwerbstätigkeit erreichen oder sogar übertreffen. Wenn er sich in einem derartigen Fall dennoch auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile beruft, muss er durch hinreichenden Tatsachenvortrag begründen können, dass er in dem vor der Ehe ausgeübten Beruf ohne diese ehebedingten Nachteile heute ein noch deutlich höheres Einkommen erzielen könnte, Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.4.2008, Aktenzeichen XII ZR 107/06, Urteil vom 14.11.2005, Aktenzeichen XII ZR 16/07.
3. Der Unterhalt wegen Krankheit, § 1572 BGB
Ein geschiedener Ehegatte kann unter Umständen auch einen Unterhaltsanspruch aufgrund krankheitsbedingter Einschränkungen in seiner Erwerbsfähigkeit haben. Nach dem insoweit maßgeblichen § 1572 BGB besteht ein Anspruch schon dann, solange und soweit von den Ehegatten vom Zeitpunkt der Scheidung oder der Beendigung der Kindererziehung an wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Krankheit nicht ehebedingt sein muss, so der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung. Die Unterhaltspflicht ist nach dem Bundesgerichtshof auch nicht davon abhängig, dass die Krankheit erst während der Ehe aufgetreten sein muss. Ausreichend ist grundsätzlich jede Krankheit, die damit auch bereits vor der Ehe vorgelegen haben kann. Einem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Ehegatte auch unabhängig von der Ehe krank geworden wäre. Es ist nicht einmal von Belang, ob der unterhaltspflichtige Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung von der Krankheit gewusst hat.
Der Begriff der Krankheit entspricht demjenigen des Sozialversicherungsrechts, vergleiche beispielsweise Sozialgesetzbuch VI § 140 Abs. 2, ähnlich im Beamtenrecht, Bundesbeamtengesetz § 42 Abs. 1 S. 1. Auch Alkoholabhängigkeit und Drogensucht sowie Medikamentenabhängigkeit können als Krankheit gelten. Selbst Übergewicht (Adipositas) kann eine Unterhaltsansprüche auslösende Krankheit sein, Oberlandesgericht Köln, Familienrechtzeitung 1992, Seite 65. Antriebsarmut, geringe Vitalität und Belastbarkeitsdefizite können wie im Sozialversicherungsrecht sich zu einer Krankheit verdichten, so Bundesgerichtshof NJW 1984, Seite 1816. Die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente ist regelmäßig ein Indiz für eine unterhaltsrechtlich relevante Einschränkung der Erwerbstätigkeit.
Trotz der weit gehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird es in vielen Fällen dennoch angezeigt sein, den grundsätzlich bestehenden Unterhaltsanspruch auf seine Billigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu begrenzen oder zu befristen. Ein Wegfall oder eine Herabsetzung des Unterhalts kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte durch die Eheschließung weder gesundheitlich noch beruflich oder versorgungsrechtlich Nachteile erlitten hat, so das Oberlandesgericht Koblenz NJW 2009, Seite 2315. Ein relevanter versorgungsrechtlicher Nachteil kann darin bestehen, dass wegen der ehelichen Kinderbetreuungszeiten die Erwerbsunfähigkeitsrente niedriger ist, als sie es ohne Ehe gewesen wäre, BGH NJW 2010, S. 1598, wobei allerdings die erzielten Vorteil aus dem Versorgungsausgleich gegenzurechnen sind, BGH aaO. Diese obergerichtliche Rechtsprechung steht zwar in Spannung zu den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen, dennoch ist auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Aufweichung der überkommenen Grundsätze angesichts des seit 2008 geltenden neuen Unterhaltsrechts zu beobachten. So hat der Bundesgerichtshof eine Befristung des Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit gebilligt, weil die Ehegatten insgesamt während der formal 11-jährigen Eher nur fünf Jahre zusammengelebt haben und die Ehe kinderlos geblieben war, BGH FamRZ 2009, Seite 406. Die Befristung orientiert sich allerdings auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weiterhin am Aspekt der nachehelichen Solidarität, BGH FamRZ 2009, Seite 1207; zugleich betont der BGH neuerdings, dass eine Krankheit in der Regel nicht ehebedingt, sondern schicksalhaft sei, BGH NJW 2009, S. 2450, NJW 2010, 1598.
Auch die obergerichtliche Rechtsprechung bejaht den Ausschluss jeglicher Befristung bei langer Ehedauer von zumindest 20 Jahren, OLG Nürnberg Familienrechts Zeitung 2008, Seite 1256, OLG Zweibrücken OLGZ 2008, Seite 884. Aber auch hier gibt es widersprechende Stimmen, die selbst bei einer 23jährigen Ehe eine Befristung bejahen, so das OLG Frankfurt am Main Familienrechts Zeitung 2009, Seite 526.