Viel Lärm um Nichts: Das Urteil des BGH zum Kontaktabbruch beim Elternunterhalt (BGH Urteil vom 12. Februar 2014 Az XII ZB 607/12:

Mit Urteil vom 12. Februar 2014 hat der Bundesgerichtshof eine in der Öffentlichkeit viel beachtete Entscheidung getroffen, die in der Sache selbst allerdings weniger spektakulär ist. Denn das höchste deutsche Zivilgericht lässt die bisherige Rechtsprechung zur Verwirkung des Anspruchs auf Elternunterhalt bei schweren Verfehlungen des Elternteils zu Zeiten der Minderjährigkeit des leiblichen Kindes völlig unangetastet. Die Möglichkeiten, den Verwirkungseinwand geltend zu machen, haben sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs also nicht geändert, soweit in der zeit der eigenen Minderjährigkeit bis zum 18. Lebensjahr ein Fehlverhalten des nunmehr bedürftigen Elternteils geltend gemacht werden kann. Dennoch ist es hilfreich, sich das Urteil näher anzusehen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs Aktenzeichen XII ZB 607/12

In Fortführung der bisherigen Rechtsprechung wird bereits im Leitsatz des Urteils vom 12. Februar 2014 festgehalten:
Eine schwere Verfehlung kann regelmäßig nur bei einer tief greifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden.
Noch weitergehend stellt der Bundesgerichtshof fest:
Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stellt regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt indes nur ausnahmsweise bei vorliegen weiterer Umstände zur Verwirkung des Elternunterhalts.
Dies war auch nach bisheriger Rechtsprechung so.

Die Enterbung allein genügt nicht

Die Enterbung eines leiblichen Kindes hält sich in den Grenzen der Testierfreiheit. Sie kann nach geltendem Recht nicht bereits für sich als Verfehlung angesehen werden. Eine Enterbung, welche zur Folge hat, dass das leibliche Kind nur noch den Pflichtteil fordern kann, kann allerdings eine Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses indizieren, so dass dann die Verwirkung des Elternunterhalts aus dem Grunde der Zerrüttung glaubhaft gemacht werden kann.

Verfehlung und schwere Verfehlung

Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil auch aus, dass abgesehen von schwersten Einzeltaten regelmäßig nur die Gesamtschau sämtlicher Umstände des Verhaltens des bedürftigen Elternteils zu einer Verwirkung des Elternunterhalts führen kann. Eine schwere Verfehlung gemäß dem Verwirkungstatbestand des § 1611 BGB kann regelmäßig nur bei einer tief greifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden. Als Begehung von kann sich auch eine Verletzung älter Pflege elterlicher Pflichten, wie etwa der Pflicht zu Beistand und Rücksicht im Sinne von § 1618 ABGB, der auch auf das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern Anwendung findet als Verfehlung gegen das Kind darstellen. Eine schwere Verfehlung im vorgenannten Sinn ist nicht auf einzelne, schwerwiegende Übergriffe gegen Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige beschränkt. Bereits in den Motiven zum bürgerlichen Gesetzbuch wurde eingeräumt, dass erhebliche Gründe dafür sprechen, die Unterhaltspflichtigen fällen, in denen der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten der Familienbande zerrissen hat, nicht nur zu beschränken, sondern ganz wegfallen zu lassen . Ein solches Verhalten kann sich zum einen in einzelnen besonders schwerwiegenden Verfehlungen zeigen; eine schwere Verfehlung kann sich zum anderen aber auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten ergeben.

Parallele Kindesunterhalt

Beim Kindesunterhalt und auch beim Ausbildungsunterhalt zugunsten des bereits volljährigen Kindes kann die Ablehnung jeder persönlichen Kontaktaufnahme des Kindes zu dem undurchsichtigen Elternteilen weder allein noch in Verbindung mit unhöflichen oder unangemessenen Äußerungen dem Elternteil gegenüber weder einen Ausschluss noch auch nur eine Herabsetzung des Kindesunterhalts nach § 1611 BGB rechtfertigen, so der BGH weiter im Urteil vom 12. Februar 2014 unter Bezugnahme auf seine bereits frühere Rechtsprechung, etwa Urteil vom 25. Januar 1995, Aktenzeichen XII ZR 240/93, FamRZ 1995, 475(476). Diese Parallele zum Kindesunterhalt zeigt, dass innerhalb der Familie die Kontaktverweigerung nicht pauschal nachteilige Rechtsfolgen nach sich ziehen kann, sondern der Gesamtzusammenhang erst die Schwere der Verfehlung begründen kann.
Für den Kontaktabbruch heißt das, dass ab Erreichen der Volljährigkeit aufgrund der wechselseitig nunmehr eingetretenen persönlichen Freiheit im Verhältnis zueinander die künftige Ablehnung eines Kontaktes nicht mehr diejenige schwere besitzen kann, welche sie noch zu Zeiten der Minderjährigkeit gehabt haben wird. Zwar hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1980 mit § 1618 a BGB auch im Verhältnis zu volljährigen Kindern die grundsätzliche Pflicht zu Beistand und Rücksichtnahme gegenüber dem volljährigen Kind normiert. Allerdings hat diese Norm weit gehend Appellfunktion, und der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, konkrete Rechtsfolgen bei Verstößen festzulegen. Deshalb ist und bleibt es Aufgabe der Rechtsprechung, je nach Einzelfall zu bestimmen, wie schwer der Verstoß wiegt.

Minderjährigkeit oder Volljährigkeit

Der Bundesgerichtshof verneint eine schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alternative 3 BGB mit dem Argument, dass der Vater in den ersten 18 Lebensjahren des Kindes sich um den Sohn gekümmert hatte. Der Vater hat daher gerade in den regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erfordernden Lebensphasen seines Sohnes bis zum erreichen der Volljährigkeit im wesentlichen den aus seiner Elternstellung folgenden Rechtspflichten genügte. Der Bundesgerichtshof spricht ausdrücklich an, dass der für die Verwirkungsfälle entscheidende Fall vom 19. Mai 2004, in welchem der Bundesgerichtshof zu Gunsten des Kindes entschied (Aktenzeichen XII ZR 304/02) in den in diesem entscheidenden Punkt anders gelagert war, denn dort hatte die Mutter das Kind bereits im Kleinkindalter zurückgelassen. Dieses bahnbrechende Urteil vom 19. Mai 2004 ist in seinen Wirkungen durch die Entscheidung vom 12. Februar 2014 in keiner Weise eingeschränkt worden.

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